145.000 kehren Deutschland den Rücken zu

Generation Praktikum verlässt Deutschland

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt vor einer zunehmenden Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus Deutschland. DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun sagte der Zeitung Die Welt: "Immer mehr junge Leute kehren Deutschland den Rücken.

 (DR)

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt vor einer zunehmenden Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus Deutschland. DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun sagte der Zeitung Die Welt: "Immer mehr junge Leute kehren Deutschland den Rücken. Mit 145 000 Fortzügen hatten wir im vergangenen Jahr seit 1954 die höchste registrierte Abwanderung von Deutschen zu verzeichnen." Ein Interview mit Gabriele Mertens, Geschäftsführerin des Raphaelswerk, zu den Gründen der Auswanderer.

Vor allem junge Leute verlassen Deutschland
Weit mehr als die Hälfte der deutschen Emigranten seien jünger als 35 Jahre. "Darunter sind viele qualifizierte und hoch motivierte Köpfe", sagte Braun. "Das ist ein Alarmzeichen." Die hohen Steuern und Sozialabgaben, ein nahezu undurchlässiger Arbeitsmarkt und "Defizite in der Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur" bildeten im Vergleich zu europäischen Nachbarstaaten erhebliche Standortnachteile. "Deutschland muss deshalb endlich seine Strukturprobleme anpacken und so für qualifizierte Fachleute ein möglichst attraktiver Standort sein", forderte Braun. Zudem müsse der deutsche Arbeitsmarkt für gut ausgebildete Ausländer stärker geöffnet werden.

Wirtschaft muss Chancen bieten
Bundesforschungsministerin Schavan hat angesichts der hohen Zahl von Auswanderern mehr Hilfen für junge Leute angemahnt. Junge, motivierte Leute müssten im Land gehalten werden , sagte sie der «Bild»-Zeitung.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss warf dagegen der Wirtschaft vor, sie könne qualifizierten Kräften keine Arbeitsplätze und Chancen bieten. "Eine Wirtschaft, die qualifizierten Menschen keine Jobs anbieten kann, sie monatelang mit unbezahlten Praktika beschäftigt, keinerlei Konzept hat, bereits ausgewanderten Fachkräften im Ausland freiwerdende Jobs in Deutschland anzubieten, hat keinerlei Berechtigung, sich über die Folgen der eigenen Politik zu beklagen", so Tauss.

Erstmals mehr Auswanderer
Das Statistischen Bundesamt hatte im Juli 2006 eine Untersuchung zur Zu- und Abwanderung nach Deutschland veröffentlicht. Danach verließen fast 145.000 Deutsche das Land, aber auch gut 128.000 Deutsche kamen zurück. Zum ersten Mal seit 1993 gab es damit mehr Auswanderer als Rückkehrer. Beliebte Ziele der Deutschen sind die Vereinigten Staaten, Kanada und Australien in Europa die Schweiz Spanien und Österreich, sowie die Niederlande oder Skandinavien. Auch Aussiedler und Spätaussiedler, die zum Beispiel nach Polen zurückkehren, zählen als deutsche Auswanderer.
Grundlage für die Statistik sind die Abmeldungen am Wohnort und Angaben auf den Visaanträgen. Migrationsforscher beklagen die hohe Dunkelziffer und die geringe Kenntnis über die Absicht der Ausgewanderten. So kehren gescheiterte Auswanderer nach Deutschland zurück, bei anderen wird aus dem begrenzten Auslandsaufentalt doch eine dauerhafte Emmigration.
(ddp,dr)