Nicht Geburt und Besitz, sondern Geist und Bildung sind auf dem Alten Friedhof in Bonn die höchste Auszeichnung. Er ist geprägt vor allem von Gelehrtengräbern des 19. Jahrhunderts: August Wilhelm Schlegel, Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann, Jacob Noeggerath, Georg Niebuhr - nur einige bedeutende Namen der deutschen Hochschulgeschichte. 1818 wurde in Bonn die zweitgrößte Universität Preußens errichtet. Ihre 200-jährige Geschichte ist auch ein Spiegel deutscher Theologie.
Preußen im Rheinland
In Bonn lehrte seit 1820 auch der katholische Aufklärer Georg Hermes (1775-1831), dessen Rationalismus von Rom verurteilt wurde. Dies sowie die virulente Frage der konfessionsverschiedenen Ehen zwischen evangelischen Preußen und katholischen Rheinländerinnen führte zu einem Zerwürfnis zwischen den preußischen Behörden und dem Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering (1773-1845), die 1837 in dessen Verhaftung gipfelte. Dieses sogenannte Kölner Ereignis sorgte deutschlandweit für antipreußische Stimmung und Solidarisierung der Katholiken. Preußen musste in allen Streitfragen einlenken: letztlich der Startschuss für einen erwachenden selbstbewussten "politischen Katholizismus".
Ein paar Jahrzehnte später stand die Bonner Katholisch-Theologische Fakultät wieder im Rampenlicht. Hier gipfelte Anfang der 1870er Jahre der Protest gegen die Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils, das auf Druck von Pius IX. (1846-1878) unter anderem die päpstliche Unfehlbarkeit in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre definierte.
Mit nur einer Ausnahme lehnten die Bonner Theologieprofessoren dieses Dogma ab. Aus Protest entstanden in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Abspaltungen sogenannte altkatholische Kirchen. Bonn wurde zu einem ihrer wichtigsten Standorte - und ist bis heute Bischofssitz. Auch der erste altkatholische Bischof in Deutschland, Joseph Hubert Reinkens (1821-1896), war Professor in Bonn und ist auf dem Alten Friedhof begraben.
Collegium Albertinum
Dennoch: Die Universität Bonn blieb weiterhin ein wichtiges Ausbildungszentrum für katholische Priester. Bis heute zeugen davon die riesigen Konviktsgebäude des Collegium Albertinum am Rheinufer (seit 1892) und des Collegium Leoninum am Alten Friedhof (1897-1999).
Ende der 1950er Jahre startete hier ein junger Theologe aus Bayern seine Weltkarriere. Sein Name: Joseph Ratzinger. Der spätere Papst Benedikt XVI. (2005-2013) lehrte hier seit April 1959 Fundamentaltheologie - seine erste Professorenstelle. Der junge, fast schüchterne Priester füllte selbst die größten Hörsäle. "Mit Begeisterung", schreibt Ratzinger in seinen Erinnerungen, nahm die Hörerschar "den neuen Ton auf, den sie bei mir zu vernehmen glaubte".
Auch der Kölner Kardinal Josef Frings wurde auf den jungen Ratzinger aufmerksam. Über die gemeinsame Liebe zur Musik traf man sich bei einem abendlichen Konzert im Kölner Gürzenich, und Ratzinger verfasste für Frings einen furiosen Vortrag über den zeitlichen Kontext des bevorstehenden Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), mit dem der Kölner Kardinal bei Papst Johannes XXIII. großen Eindruck machte. Nicht zuletzt deshalb dürfte Frings den erst 35-Jährigen zu seinem Peritus, also offiziellen theologischen Berater beim Konzil, ernannt haben - wo Ratzingers Stern leuchtend aufging.
Ratzinger nach Münster
Schon nach der ersten Konzilssession jedoch ereilte ihn ein weiterer Ruf: Die Uni Münster wollte - und bekam ihn. Nach den Prüfungen des Wintersemesters 1962/63 packte Ratzinger in Bad Godesberg-Rüngsdorf seine Kisten - schon damals wohl größtenteils Bücher.
In den 80er und 90er Jahren untermauerten unter anderen der Moraltheologe Franz Böckle und die Bibelwissenschaftler Helmut Merklein und Frank-Lothar Hossfeld das internationale Renommee der theologischen Forschung in Bonn. Heute werden an der Katholisch-Theologischen Fakultät 321 Studierende - 173 Männer und 148 Frauen - von 13 Professoren und 16 Wissenschaftlichen Mitarbeitern unterrichtet. Zum Vergleich: In Jura sind es 4.500, in Medizin 2.650 und in Germanistik 1.680.