Für Martin Luther selbst wäre es sicher nichts gewesen: Seine - vom Maler Lucas Cranach unzählig oft ins Bild gesetzte - Leibesfülle mag man sich kaum im Leibchen eines Langstreckenläufers vorstellen. Aber unterstützt hätte der Reformator das Projekt gewiss: Am 23. April starten anlässlich des Gedenkjahrs an 500 Jahre Reformation knapp 30 Sportler zu einem Friedenslauf von Rom nach Wittenberg. Papst Franziskus wird auf dem Petersplatz mit seinem Segen quasi den Startschuss für sie geben.
Insgesamt 2.000 Kilometer wollen sie in 16 Etappen bis zum 8. Mai zurücklegen. Gruppen von jeweils zwei oder drei Läufern wechseln sich wie bei einem Staffellauf alle 15 Kilometer ab. Der Weg führt von Rom über Verona, Bozen, Garmisch-Partenkirchen, Augsburg, Schweinfurt, Eisenach, Erfurt und Halle nach Wittenberg. Die Teilnehmer sind allesamt Hobbyläufer, wenngleich einige durchaus Karrieren als Leistungssportler hinter sich haben wie der Schwimmer Paul Biedermann, der Schwergewichtsboxer Timo Hoffmann oder die Ruder-Olympiasiegerin Julia Lier.
2010: "Von Luther zum Papst"
Initiator des Projekts ist Peter Junge aus Bitterfeld. Der 73-jährige Ex-Boxer organisierte bereits 2010 quasi die "Hinrunde": Damals liefen 25 Sportler aus Deutschland, Kenia, Polen und Kasachstan unter dem Motto "Von Luther zum Papst" von Wittenberg nach Rom. Papst Benedikt XVI. begrüßte sie eigens im Vatikan. Zudem erbrachte der Friedenslauf 10.000 Euro Spenden für eine Sportschule in Kenia.
Junge ist kein Christ: "Ich glaube an kein höheres Wesen." Aber er glaubt, dass jeder Mensch eine Verantwortung hat: "Und ich sehe meine Verantwortung darin aufzupassen, dass ich meinen Kindern und Enkeln keine kaputte Welt hinterlasse." Aus dieser Motivation setzt sich Junge auch seit Jahren für Flüchtlinge und ihre Integration ein.
Derzeit arbeitet er gegen "eine unglaubliche Bürokratie" an, damit am Friedenslauf auch Sportler aus der 2016 erstmals bei Olympischen Spielen gestarteten Flüchtlings-Mannschaft teilnehmen können. "Sport kann Menschen Hoffnung geben und verbindet unterschiedlichste Nationen und Religionen - auch dafür steht dieser Lauf", so der Bitterfelder.
Der evangelische Stuttgarter Stadtpfarrer Matthias Vosseler machte bereits beim ersten Friedenslauf mit und ist auch diesmal wieder dabei. Für ihn ist es ein Symbol der guten Ökumene zwischen den Kirchen und zugleich ein sportliches Zeichen für Frieden, Demokratie und Toleranz sowie gegen Fremdenfeindlichkeit: "Wer läuft, schlägt anderen nicht die Köpfe ein, sondern geht miteinander auf einen Weg und eine gemeinsame Strecke. Wir wollen mit unserer Tour im wahrsten Sinne des Wortes 'ansteckend' sein."
Unterstützung auch von Bischof Feige
Zuspruch erhält das Projekt auch von Spitzenvertretern aus Politik und Kirche. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) übernahm die Schirmherrschaft. Ebenso wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sicherte Magdeburgs katholischer Bischof Gerhard Feige seine Unterstützung zu: "Gern werbe ich dafür, die Idee des Laufs wohlwollend zu unterstützen und dem Verein nach Kräften zu helfen."
Helfen will der eigens für den Friedenslauf gegründete Verein aber auch selbst: "Am Samstag unmittelbar vor unserem Laufstart kochen wir für 100 Obdachlose in Rom ein altes, typisch sachsen-anhaltisches Gericht: Kartoffelbrei und Zwiebeltitsche", kündigt Junge an. Umgesetzt wird es zusammen mit den Mutter-Teresa-Schwestern, die sich in der römischen Metropole um Obdachlose kümmern.
Sogar einen eigenen Song haben Organisatoren und Teilnehmer des Friedenslaufs komponiert und aufgenommen, um ihrer Botschaft Gehör zu verschaffen. Darin heißt es: "Wir laufen für Menschlichkeit, Frieden und Glück, dass unsere Hoffnung für immer bleibt und Hass und Gewalt vertreibt." Auch vor dem Papst wollen sie ihr Lied singen, und Junge hofft, dass der Refrain noch manchen motiviert, sich den Friedensläufern unterwegs für eine kleine Wegstrecke anzuschließen: "Zuviel Worte sind schon gesagt, Handeln ist jetzt gefragt, komm und lauf mit mir - aus dem Ich wird ein Wir."
Von Karin Wollschläger