34 neue Formen des Immateriellen Kulturerbes ausgezeichnet

Posaunenchöre und Palmsonntagsprozession

Vor vier Jahren trat Deutschland dem Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes der Unesco bei. Jetzt wurden neue Kulturformen in das Verzeichnis aufgenommen - darunter eine Palmsonntagsprozession.

Autor/in:
Dana Kim Hansen und Rainer Nolte
Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt  / © Thomas Lohnes (KNA)
Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt / © Thomas Lohnes ( KNA )

Porzellanmalerei, Hebammenwesen oder die traditionelle Flussfischerei an der Mündung der Sieg in den Rhein - auf den ersten Blick haben diese Dinge nichts miteinander zu tun. Allerdings gibt es doch eine Verbindung zwischen ihnen. Sie und 31 andere Kulturformen sind in das deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Am Montag hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in Berlin den Vertretern der Neuaufnahmen die entsprechende Urkunde überreicht. Zwei Initiativen werden dabei für ihre gute Praxis beim Erhalt des Immateriellen Kulturerbes geehrt.

Der Vizepräsident der Deutschen Unesco-Kommission (DUK), Christoph Wulf, betonte bei der Übergabe: "Immaterielles Kulturerbe prägt Identitäten, stärkt den sozialen Zusammenhalt und fördert den Dialog zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Es ist Quelle von Kreativität und Innovation und trägt zu gesellschaftlichem Wandel bei." Mit der Aufnahme der 34 neuen Traditionen umfasst das deutsche Verzeichnis nun 68 solcher kulturellen Ausdrucksformen.

Bräuche, Feste und Handwerkskünste

Auf der Liste stehen dabei Ausdrucksformen aus den Bereichen Tanz und Musik wie die Posaunenchöre oder mündliche Überlieferungen. Aber auch Bräuche, Feste und Handwerkskünste sind zu finden. So kamen jüngst unter anderem das Skatspielen, Bergparaden und Umzüge in Sachsen und das Flechthandwerk in das Verzeichnis.

Weltweit fördert die Unesco seit 2003 den Erhalt von Alltagskulturen und -traditionen. Inzwischen sind der Konvention mehr als 170 Staaten beigetreten. Deutschland ist erst seit 2013 dabei. Das Verfahren für die Aufnahme in eine der drei internationalen Listen ist dabei zweistufig: Jedes Land baut ein Verzeichnis auf, im nächsten Schritt können dann Vorschläge für die weltweite Unesco-Liste eingereicht werden.

Genossenschaftsidee ein Immaterielles Kulturerbes

Über solche Neueintragungen entscheidet der Zwischenstaatliche Ausschuss für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes auf seiner jährlichen Tagung im Herbst. Im vergangenen Jahr wurde erstmals ein deutscher Vorschlag in die Repräsentative Liste der Weltkulturorganisation aufgenommen. Seitdem ist die Genossenschaftsidee ein Immaterielles Kulturerbes der Menschheit.

Laut Brandenburgs Kulturministerin, Martina Münch, haben die Ausdrucksformen häufig regionalen Charakter und sind somit nicht jedermann bekannt. "Doch die Vielfalt, die gerade diesen Ausdrucksformen innewohnt, ist es, die die kulturelle Identität eines Landes auszeichnet", sagte Münch.

Heiligenstädter Palmsonntagsprozession mit überlebensgroße Figuren

Zu den jetzt neu hinzugekommenen nationalen Schätzen gehört auch die Heiligenstädter Palmsonntagsprozession. Dieser religiöse Umzug findet jedes Jahr am Sonntag vor Ostern statt und bewegt sich in einer überlieferten Ordnung durch die Straßen der Thüringer Kreisstadt. Bei der Prozession werden sechs überlebensgroße Figuren mitgeführt. Sie erinnern an den Leidensweg von Jesus Christus. Erstmals sind zudem bayerische Pferdewallfahrten zu Ehren von Heiligen im Unesco-Verzeichnis zu finden: die Tölzer Leonhardifahrt und der Traunsteiner Georgiritt.

Aber auch traditionelle Mal-, Fass- und Vergoldetechniken der Kirchenmaler fanden Aufnahme in das Verzeichnis. Diese Techniken bestehen laut DUK nachweislich seit 600 Jahren. In ihrer Reichhaltigkeit an dekorativen und ornamentalen Oberflächengestaltungen seien sie bei der Ausgestaltung von Kirchen, Schlössern, Rathäusern, Wirtshäusern nicht mehr wegzudenken.

Ein Markenzeichen der evangelischen Kirche

Als immaterielles Kulturerbe sieht die DUK auch die Posaunenchöre. Sie seien Markenzeichen der evangelischen Kirche. Dennoch sei eine konfessionsübergreifende Mitwirkung möglich. In über 6.500 Ensembles musizierten in Deutschland derzeit etwa 115.000 Menschen.

Die Töpfertradition Westerwälder Steinzeug, der Poetry-Slam im deutschsprachigem Raum, das Märchenerzählen oder der Blaudruck - die Neuaufnahmen zeigen ein breites Bild der kulturellen Vielfalt in Deutschland. Letzteres wurde im März von fünf Ländern auch für die internationale Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes nominiert.

Ob das Blaudruck-Handwerk aufgenommen wird, wie sich Deutschland, Österreich, die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn wünschen, will der zuständige Ausschuss allerdings erst Ende 2018 entscheiden.


Quelle:
KNA