70 Jahre Don Camillo und Peppone

Gezeigt wird ein "Gott, der an der Seite geht"

Vor 70 Jahren kam "Don Camillo und Peppone" in die Kinos. Was der fünfteilige Komödienklassiker über einen katholischen Pfarrer und den kommunistischen Dorfbürgermeister uns heute immer noch zu sagen hat, verrät Martin Ostermann.

Fernand J.D. Constantin als Don Camillo (KNA)
Fernand J.D. Constantin als Don Camillo / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Worum geht es in den Filmen? 

Martin Ostermann (Filmkommission der Deutschen Bischofskonferenz): Der Kern steckt schon im Titel: Es gibt den Dorfpfarrer in einem kleinen Ort in der Po-Ebene, Don Camillo. Und dieser Ort wird von der Kommunistischen Partei regiert bzw. vom Bürgermeister Peppone. Damit haben wir katholische Kirche und Kommunismus als System-Gegensatz, der in diesen Figuren ausgedrückt wird, aber nie so richtig ernsthaft wird. Die beiden kabbeln sich, aber sie sind genauso befreundet. Und man lernt natürlich viel über das Dorf sowie das Leben der Leute kennen, wie letzten Endes auch ganz alltägliche Probleme gelöst werden müssen.

DOMRADIO.DE: Wie werden die beiden Hauptfiguren dargestellt?

Ostermann: Don Camillo ist sicherlich kein klassischer Priester, wie man sich ihn vorstellt, weil er auch mal gern seine Fäuste spielen lässt, überhaupt dazu neigt, auch sehr emotional zu reagieren und nicht unbedingt ein "sanftes Lamm" ist. Während Peppone zwar als Kommunist durchaus auch seine Aufmärsche und seine großen Reden hat, aber in entscheidenden Situationen auch sanft sein kann und sich sehr versöhnlich zeigt. Er ist kein ideologischer Sturkopf. Insofern haben beide Figuren eine Ambivalenz. Sie tragen ihre Rollen: kommunistischer Bürgermeister, katholischer Pfarrer. Aber sie sind eigentlich sehr menschlich gezeichnet. Das macht aus meiner Sicht den Erfolg der Filme und der Geschichten insgesamt aus.

Martin Ostermann

"Sie tragen ihre Rollen: kommunistischer Bürgermeister, katholischer Pfarrer. Aber sie sind eigentlich sehr menschlich gezeichnet."

DOMRADIO.DE: Don Camillo spricht zwischendurch auch mit Gott...

Ostermann: Das ist das Besondere an den Filmen, was sie heute noch faszinierend macht. Er spricht nicht nur mit Gott, sondern es geschieht auch völlig selbstverständlich. Es wird nie problematisiert, dass Don Camillo, wenn er auf ein Kruzifix guckt, sagt: "Ja, Herr, du hast aber wieder Peppone etwas sagen lassen, was eigentlich gar nicht richtig ist". Und dann antwortet Gott mit sanfter Stimme beziehungsweise Jesus: "Willst du mich etwa kritisieren, Don Camillo?". Es sind sehr lebendige Gespräche, die ganz alltäglich geschildert werden und deutlich machen: Gott ist präsent, ist immer da.

Aber es ist eben nur Don Camillo, der mit Gott spricht. Es kommt von keiner anderen Figur jemals vor. Und es gibt auch die Phase, wo Gott Don Camillo gegenüber schweigt, und Don Camillo sich neu dieses Rückhalts versichern muss und Gott wieder neu spricht.

Martin Ostermann

"Und dann antwortet Gott mit sanfter Stimme beziehungsweise Jesus: 'Willst du mich etwa kritisieren, Don Camillo?'"

DOMRADIO.DE: Welches Gottesbild wird in den "Don Camillo"-Filmen vermittelt?

Ostermann: Es ist der Gott, der an der Seite geht. Es ist nicht der unerreichbare Schöpfer oder Weltenherrscher, sondern der, der mitten im Alltag der Menschen ist, der sich um die Probleme kümmert, der aber auch - das kommt eben bei Don Camillo in diesen Gesprächen gut zum Ausdruck - auf dieser freundschaftlichen Ebene auch immer wieder in Frage stellt. Ein guter Freund ist jemand, der einen infrage stellen kann. Und Don Camillo muss dann immer wieder selbst die Erkenntnis haben, dass er natürlich auch jede Menge Fehler gemacht hat und von sich aus den Weg wieder neu gehen. Das ist ein Gottesbild, bei dem ich denke, dass es heute umso wichtiger denn je ist: Gott im Alltag, Gott an der Seite, der in entscheidenden Situationen auch durchaus Ratschläge geben kann.

DOMRADIO.DE: Inwiefern haben die Filme uns auch heute noch was zu sagen?

Ostermann: Auf dieser allgemeinen menschlichen Ebene haben sie uns eine Menge zu sagen. Die politische Ebene ist natürlich völlig verändert. Wir haben keinen Gegensatz aus katholischer Kirche und Kommunismus mehr. Der Faschismus spielt auch eine kurze Rolle, weil die Filme ja alle noch vom Zweiten Weltkrieg und von der Nachkriegszeit geprägt sind. Aber auf der allgemeinen menschlichen Ebene. Das heißt, wie kann ich mich für den anderen einsetzen, was braucht eine Gemeinschaft, welche Konflikte müssen ausgetragen werden? Wie kann wieder Mitmenschlichkeit und auch Solidarität funktionieren? Solidarität meine ich nicht nur im politisch linken Sinne, sondern im allgemein menschlichen Sinne. Da raufen sich Pfarrer und Bürgermeister immer wieder zusammen. Das kann mancher als sehr naiv bezeichnen. Ich persönlich finde, über diese menschliche Emotionalität kommt das auch heute durchaus noch realistisch rüber - trotz des historischen Abstands.

DOMRADIO.DE: Ziehen die Gags von damals heute noch?

Ostermann: Die sind natürlich sehr brav, wenn man heutige Filme betrachtet. Aber ich finde, manches Anarchische, was alte Filme haben, geht neueren Geschichten sogar manchmal verloren. Die bleiben zu platt auf der Oberfläche. Die vielen Anspielungen, die in den Filmen enthalten sind, sind durchaus etwas, was auch heute noch zieht. Aber man braucht natürlich ein bisschen Hintergrundwissen und muss sich in die Filme "einsehen".

DOMRADIO.DE: Worauf könnte man achten, wenn wir die Filme jetzt nochmal anschauen?

Ostermann: Es gibt eine Buchveröffentlichung zu diesen Gesprächen mit Gott ("Don Camillo spricht mit Jesus" von Jörg Müller, Anmerkung d. Red.). Da hat der Autor gesagt, diese Gespräche sind viel zu wenig beachtet. Nicht nur alltägliche Probleme, sondern durchaus auch größere philosophische Themen werden darin angegangen. Und das Zweite ist, dass nicht immer alles gut wird. Am Ende des zweiten Films ist der ganze Ort überschwemmt und Don Camillo hält am Sonntagmorgen eine Predigt, wo er darüber spricht, dass wir wieder neu anfangen müssen. Da wird klar, es gibt Katastrophen, die wir nicht verhindern können, aber wir können gemeinschaftlich wieder einen neuen Anfang suchen. Und dieser Realismus spricht auch heute noch an.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR