83-jährige Ordensschwester gibt im Senegal Armen Hoffnung

Eine Frau steht ihren Mann

Schwester Regina hat ihres ganzes Leben den Jugendlichen in Dakar gewidmet. Mit ihrem Projekt SamSam hat sie im Kleinen erreicht, was im Großen so schwierig scheint: jungen Afrikanern eine solide berufliche Ausbildung zu garantieren.

Autor/in:
Stefanie Claudia Müller
Sr. Regina mit ihren Schützlingen / © Sr. Regina (privat)
Sr. Regina mit ihren Schützlingen / © Sr. Regina ( privat )

Die 83jährige Regina ist im bürgerlichen Leben eigentlich Etelvina Casado. Sie gehört dem Orden "Religiosas del niño jesus" an, die sich vor allem um Kinder und Jugendliche kümmern. Sie kommt gebürtig aus León in Spanien, wuchs aber selbst in ärmlichen Verhältnissen in Barcelona auf.

Sr. Regina (privat)

Fast ihr ganzes Leben hat die Nonne im französischsprachigen Afrika verbracht. Auch wenn sie arbeitet, kleidet sie sich in zivil, weswegen es zwischen Regina und Etelvina keinen wesentlichen Unterschied gibt. Hier in Dakar hat die kleine Frau in den vergangenen Jahren Außerordentliches geleistet: Sie hat jungen Frauen und Männern, die in Armut aufwachsen, eine Perspektive gegeben, damit sie sich nicht mit Schleppern auf den gefährlichen Weg nach Europa machen. Zwischen Staub, Steinen, Schlamm und wenig Grün arbeitet die Spanierin unaufhörlich mit ihrem Team aus Freiweilligen, um das Viertel von Sam Sam sicherer zu machen.

Es liegt in einem sumpfigen Gebiet, 20km von Dakar entfernt. Während der Regenzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober wird das Leben dort zur Rutschpartie, weil die Straßen eng und nicht gepflastert sind. Es fehlt an Kanalisierung und Hygiene, Müllabfuhrdienst, Straßenbeleuchtung und Trinkwasser. Wenn sie nach Spanien kommt, lebt die Nonne dagegen in einer luxuriösen Unterbringung in der Nähe von Madrid, kann die Alltagssorgen in Spanien nicht mehr verstehen: "Mein Zuhause ist definitiv Afrika." Die Ordensfrau verschönt nicht, was sie dort sieht, fordert von anderen und packt selbst mit an: "Es ist meine Familie geworden." Sie nennt die Bequemlichkeit mancher Schützlinge klar beim Namen und provoziert gerne. Aus dem Senegal, so sagt sie im Interview, flüchten viele muslimische Männer auch vor dem traditionellen Leben: "Viele wollen nicht heiraten und Kinder haben. Sie wollen diese Verantwortung nicht tragen."

In einem Slum von Dakar / © Sr. Regina (privat)
In einem Slum von Dakar / © Sr. Regina ( privat )

Glauben gegen alle Widerstände

Die resolute Spanierin hat es dafür mit allen aufgenommen und sich furchtlos gegen alle männlichen, religiösen und staatlichen Widerstände durchgesetzt. In einer Nachbarschaft von Dekadenz und Chaos versucht sie eine Versorgungsstruktur aufzubauen. Unterstützt wird sie von vielen privaten Initiativen in Spanien, von kleinen und mittelständischen Unternehmen und einigen Hilfsorganisationen: "Es fehlt immer überall an Geld, an Maschinen und auch an Ausbildungspersonal."

In einfachen Räumlichkeiten und gebrauchten Maschinen, Herden und Werkzeug werden Köchinnen, Schneiderinnen, Schreiner und Maurer ausgebildet: "Viele hängen sonst nur den ganzen Tag herum und rauchen Hasch, vor allem die Männer. Wir geben ihnen eine Beschäftigung, eine Aufgabe, eine Perspektive."

Sam Sam ist damit ein Ort ohne Hoffnung in einer Welt, wo die auch jungen Senegalesen im Internet sehen, in welchem Wohlstand und in welcher Sicherheit Menschen in Europa leben. Wie hart dieser Weg dorthin ist, das erzählt ihnen niemand. Viele wollen wegen dieser falschen Vorstellungen nach Deutschland, Italien, Frankreich oder Spanien. In diesen Ländern erwartet sie jedoch sehr oft die gleiche Trostlosigkeit. Jahrelang hausen sie nicht selten auf den Straßen in der neuen Heimat, wieder ohne Ziel und Struktur. "Für mich ist das erdrückend, weil hier schon einige ihr Leben auf diesem Weg verloren haben und daran wollte ich was ändern," erzählt Regina, die alles bis ins letzte Detail selber kontrolliert mit den anderen Ordensschwestern. Das ist teilweise auch hinderlich für die Finanzierung des Projektes, das immer noch über den Orden läuft und eng mit ihrem Namen verbunden ist. Von Marketing und Webseiten hat die Nonne jedoch wenig Ahnung. In Spanien bemüht sich jetzt ein Team darum, dass wenn sie stirbt, Sam Sam nicht zurückfällt, sondern eine andere Organisation das Projekt begleitet.

Sr. Regina packt mit an / © Sr. Regina (privat)
Sr. Regina packt mit an / © Sr. Regina ( privat )

Wenn die Grundversorgung nicht gegeben ist

Derweil hat Regina aber noch viel vor. Zuerst hat sie sich  nur um die Frauen bemüht: "Sie warten hier nur darauf, dass sie verheiratet werden mit einem Unbekannten. Uns hat das nicht gereicht. Sie sollen besser eine Ausbildung bekommen und damit eine andere Perspektive." Dann war klar, die Männer müssen auch ausgebildet werden, denn nur wenn beide eine Zukunft haben, bleiben sie ihr in dem Viertel und bringen es voran. Das von Regina mitinitiierte Ausbildungszentrum "Centre Technique de Promotion Féminine Kalasans" versucht zudem zu verhindern, dass die Mädchen nach der Grundschule sich nicht mehr weiterbilden. "Sie bleiben nicht selten mit 14 Jahren einfach zuhause und warten auf den Zukünftigen", erzählt Regina. Aus diesem Grund wurden zwei Klassenzimmer für den Abendunterricht eingerichtet, der sich um vier Grundachsen dreht: Alphabetisierung (in Wolof und Französisch, den offiziellen Sprachen Senegals), Rechnen, Nähen und Gesundheitsvorsorge.

Die Missionsarbeit steht dabei im Hintergrund, die meisten der Schützlinge sind Muslime. Aber wenn jemand wie sie Ordensfrau werden möchte, dann bereitet Etelvina sie auch darauf vor und wirbt natürlich für den eigenen Orden. Die schwarzen Frauen in SamSam bewundern ihre Stärke, ihren Mut, in einer männlich dominierten und scheinbar immer unsicheren Welt, ihre Ziele umzusetzen. Selbst schwere Krankheiten können Regina nicht aufhalten. Noch ein Jahr hat sie in Senegal, dann wird sie pensioniert. Für die 83jährige ist das keine gute Nachricht: "Sie werden mir alle entsetzlich fehlen."

Informationen zum Projekt

Quelle:
DR