Tausende Menschen strömen aus allen Himmelsrichtungen zur Eröffnungsveranstaltung des 100. Deutschen Katholikentags auf den Markt - und fast alle tragen als optisches Erkennungszeichen den grünen Katholikentags-Schal. "Die laufen wirklich gut", sagt Julia Steiner, die aus der Nähe von Regensburg angereist ist, um als Helferin die Schals an die Passanten zu verteilen. "Ich will Leipzig begrünen und damit in der katholischen Diaspora ein Zeichen setzen", erläutert die 28-Jährige, die Dutzende der modischen Accessoires auf dem Arm trägt. Für drei Euro kann man sich damit als Teilnehmer des christlichen Großevents "labeln".
Susann Oßmann ist ebenfalls gekommen, um für ihren Glauben zu werben: An einem Stand des sächsischen Dekanats Meißen schenkt sie auf dem Markt mit sechs Mitstreitern Wein an die Besucher aus. "Wir wollen uns als Menschen präsentieren, die durch ihren Glauben etwas Besonderes ausstrahlen", sagt die 39 Jahre alte Katholikin. In vielen Regionen Ostdeutschlands seien die Gemeinden überaltert. Da sei es eine "belebende Sache", jetzt mit so vielen jungen Gläubigen zusammenzutreffen. Und das in einer Stadt, in der 80 Prozent der Bevölkerung konfessionslos sind und nur vier Prozent katholisch.
10.000 Menschen bei der Eröffnung
Tatsächlich ist der Platz im Herzen der Stadt bereits gegen 17 Uhr gut gefüllt. Bei der Eröffnung sind es laut Veranstalter 10.000 Leute. Menschen jeden Alters, aller Konfessionen und unterschiedlichster Herkunft unterhalten sich angeregt, essen, trinken oder lauschen der Musik des Gospelchors, der auf der Katholikentagsbühne das Vorprogramm eröffnet. Unter ihnen ist auch der Theologe, Arzt und Bestsellerautor Manfred Lütz, der mit schwarzem Mantel und schwarzem Hut optisch aus der Menge heraussticht. "Für mich ist es wichtig, das Gespräch mit dem agnostischen Umfeld in Leipzig zu suchen, damit die Katholiken nicht nur in ihrer eigenen Suppe köcheln", sagt er.
Ein Agnostiker, der gekommen ist, um mehr über den katholischen Glauben zu erfahren, ist der Leipziger Student Christopher Porkert. Eine Freundin habe ihn schon öfters mit in die Kirche zum Gottesdienst genommen, erzählt der 19-Jährige. "Nun will ich beim Katholikentag weitere Einblicke gewinnen." Wenige Meter von ihm entfernt steht der syrisch-orthodoxe Pater Gabriel aus dem Kloster Sankt Jakob von Sarug im nordrhein-westfälischen Warburg. Er wünscht sich, "dass in der ganzen Welt Frieden herrscht". Diese Botschaft wolle er auch in Leipzig verbreiten.
Ein Polizist, der das Geschehen auf dem Markt beobachtet, nimmt den Wunsch des Paters wohlwollend auf. "Hier ist wirklich alles friedlich", versichert er. Der Katholikentag sei eine entspannte Veranstaltung. Sein persönliches Interesse an Themen wie Religion und Glaube halte sich allerdings in Grenzen, gibt der Beamte freimütig zu: "Um ehrlich zu sein, ich hätte heute lieber frei." Die Polizeipräsenz an diesem Abend ist sichtbar, aber dezent. Beamte aus ganz Sachsen, dem Landes- und Bundeskriminalamt sind im Einsatz.
Auf insgesamt sieben größeren und kleineren Plätzen in der Leipziger Innenstadt präsentieren sich die ostdeutschen (Erz-)Bistümer Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg, die katholischen Sorben sowie die evangelische Landeskirche Sachsens - und zwar kulinarisch wie kulturell. Ihre Botschaft: Der Osten ist bunt und gastfreundlich.
Bischof Heinrich Timmerevers streift durch die Massen
Für einen ist dieser Abend der Begegnungen noch mal ganz besonders: Der frisch ernannte Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, streift durch die Menschenmassen und geht auf erste Tuchfühlung in seinem neuen Sprengel. Erst Ende August tritt er sein Amt an und will drum jetzt "nur als einfacher Teilnehmer" dabei sein. Aber natürlich erkennen ihn viele seiner neuen "Schäfchen" schon, sprechen ihn an und lassen sich mit ihm fotografieren. "Die Menschen sind sehr herzlich und aufgeschlossen, und ich freu mich über die vielen Begegnungen", erzählt er am späten Abend, dann bereits "inkognito", ohne Soutane, ohne Bischofskreuz - aber trotzdem umringt.