Kardinal Giovanni Angelo Becciu wird in den vergangenen Tagen eher ungern die Zeitung aufgeschlagen haben. Italienische Medien veröffentlichten unterschiedliche Enthüllungsgeschichten über den einstmals mächtigen Mann im Staatssekretariat: Becciu soll karitative Einrichtungen seiner Familie begünstigt und einen dubiosen Beratervertrag mit einer sardischen Unternehmerin geschlossen haben; auch schickte er angeblich Überweisungen nach Australien, um - neutral gesagt - die Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen gegen seinen Kurien-Rivalen Kardinal George Pell zu unterstützen.
Die Anschuldigungen sind unbewiesen, die Quellen teils zweifelhaft. Ob irgendetwas davon strafrechtliche Relevanz besitzt, ist unklar. Bei den betreffenden Vorgängen soll es jeweils um mehrere Hunderttausend Euro gehen. Gemessen an dem, was eigentlich im Vatikan verhandelt wird, sind das Peanuts.
Fonds des Staatssekretariats spielt zentrale Rolle
Seit Jahren versucht Papst Franziskus, Ordnung und Kontrolle in die Finanzen zu bringen. Eine zentrale Rolle spielt der Fonds des Staatssekretariats - umfangreich genug, dass er als "dritte Bank" neben der Vatikanbank IOR und der Vermögensverwaltung Apsa bezeichnet wird. Eigentlich für absolut ehrenwerte Zwecke der Kirchenleitung gedacht, geriet diese graue Kasse zuletzt durch riskante Investments in die Schlagzeilen. Aktuelle Vorgänge deuten darauf hin, dass der Papst die Autonomie der bisherigen Verwalter kräftig zurückschneiden will.
So wird die Pfründe des Staatssekretariats nach Worten des vatikanischen Wirtschaftschefs Juan Guerrero künftig dem "Institut für die religiösen Werke" (IOR) und der Apsa unterstellt. Die Vermögensanlage soll zentral durch das IOR gemanagt werden, und zwar für das Staatssekretariat wie auch für andere Einrichtungen des Heiligen Stuhls und des Vatikan. Zwar stand die Vatikanbank in der Vergangenheit selbst im Zwielicht, aber Guerrero sprach anlässlich der Veröffentlichung der Kurien-Bilanz Anfang Oktober von einer "großartigen Entwicklung" des Instituts in den vergangenen Jahren.
Neuerungen: Einrichtung einer Kontrollkommission und Umbau des Kardinalsrates für das IOR
Ein zweiter Schritt ist die Einrichtung einer Kontrollkommission für bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten des Staatssekretariats und der Vatikanstaatsleitung, insbesondere "geheime Angelegenheiten". Das Gremium, das in der im Juni erlassenen Transparenzverordnung vorgesehen ist, wurde jetzt personell besetzt: Mit Kardinalkämmerer Kevin Farrell und Apsa-Präsident Nunzio Galantino gehören ihm zwei Männer aus der päpstlichen Güterverwaltung an, ferner der Präfekt des Wirtschaftssekretariats Guerrero.
Eine dritte interessante Neuerung ist ein Umbau des Kardinalsrates für das IOR. Das Mandat von Pietro Parolin wurde nicht verlängert. Damit sitzt erstmals seit 26 Jahren kein Kardinalstaatssekretär in dem Ausschuss, der über die Vatikanbank wacht. Möglicherweise soll sich Parolin einfach auf sein politisches und diplomatisches Spitzenamt konzentrieren können. Aber klar scheint, dass das Staatssekretariat, nachdem es schon sein Sparschwein in die Obhut von IOR und Apsa geben muss, auch keine Stimme mehr in diesen Institutionen haben soll.
Kein Wille zu transparenter Aufklärung
Es bleiben Fragen und Probleme offen. Da ist die Schwierigkeit, in einem relativ überschaubaren Apparat wie der Kurie eine Verquickung von Ämtern, Interessen und persönlichen Abhängigkeiten zu vermeiden. Kardinal Luis Antonio Tagle, dessen Missionskongregation über beträchtliche Vermögenswerte gebietet, wurde just in die IOR-Kommission berufen, die eben auch bei der Anlagepolitik für das Kurienkapital ein Wort mitzureden hat. Im Kontrollausschuss für die geheimen Wirtschaftsangelegenheiten der Vatikanstaatsregierung sitzt Erzbischof Fernando Vergez Alzaga, zweithöchster Mann dieser Regierung.
Was die alten Netzwerke von Geld und Macht angeht, zeigt der Papst bislang keinen Willen zu transparenter Aufklärung. Becciu musste seinen Posten als Heiligsprechungspräfekt räumen; warum, wurde nicht benannt. So gedeihen nicht nur Spekulationen über sein Gebaren als Substitut, als er an einer Schlüsselstelle für Finanz- und Personalentscheidungen im Staatssekretariat saß - es fällt auch ein Schatten auf seinen damaligen Vorgesetzten: Parolin.
Wirtschaftspräfekt Guerrero hat es auf sich genommen, die grauen Kassen im Vatikan unter eine zentrale, transparente und professionelle Verwaltung zu bringen. Genau jenes Geld meinte sein Vorgänger Pell, als er 2014 sagte, er sei auf «Hunderte Millionen Euro» gestoßen, die nicht in der Bilanz erscheinen. Pell legte sich mit Becciu an, 2017 holte ihn ein Missbrauchsprozess ein. Inzwischen ist er freigesprochen. Nach Beccius Rücktritt bemerkte Pell, das Aufräumen der Vatikanfinanzen sei eine «lange Partie». Er hoffe, das «Ausmisten» werde weitergehen.