Ein fortgesetzter Hang zu Dramatisierung in "Informationsnetzwerken" verbreite Unsicherheit. "Da verwundert es nicht, dass unsere Mitbürger angesichts eines beständigen Drangs, ihre Sorgen und ihre Wut auszudrücken, in einem Klima der Angst leben", so Vingt-Trois.
Christen hätten jedoch die Aufgabe, "Handwerker des Friedens" zu sein und nicht Gefühle wie Streit und Hass auszubeuten.
Vingt-Trois hatte Frankreichs Hauptstadt-Erzbistum zwölf Jahre lang geleitet. Nachdem er im Februar am Guillain-Barre-Syndrom (GBS) erkrankt war, kündigte er seinen Rücktritt mit Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren an.
Teil des Erneuerungsprozesses
Vingt-Trois, 1942 in Paris geboren, wurde 1969 nach seinem Militärdienst in Deutschland in Paris zum Priester geweiht. Er arbeitete in Pfarreien in den Vororten der Millionenstadt, war Pariser Generalvikar und Weihbischof. Als Weihbischof wirkte Vingt-Trois an jenem kirchlichen Erneuerungsprozess mit, der 1997 in den Erfolg des Weltjugendtages in Paris mündete.
Vingt-Trois ist der Überzeugung, dass die Kirche in der vom Laizismus und von wachsender Säkularisierung geprägten Gesellschaft Frankreichs nicht im Abseits bleiben dürfe, sondern versuchen müsse, im Dialog mit Nichtglaubenden und Zweifelnden zu überzeugen.
Ein politischer Kardinal
Offen nahm er immer wieder politisch Stellung, etwa zu Embryonenforschung, Abtreibung oder Asylpolitik. Sein besonderes Arbeitsfeld ist die Familie. Der Kardinal verfasste mehrere Bücher zum Thema und protestierte gegen die Einführung der "Homo-Ehe", gegen Leihmutterschaft und aktive Sterbehilfe.
Vingt-Trois leitet die Erzdiözese Paris noch kommissarisch. Am 6.
Januar nimmt der ernannte Nachfolger Michel Aupetit (66), bislang Bischof von Nanterre, offiziell die Amtsgeschäfte auf.