Angefangen hat alles unter einem Maulbeerbaum: Noch heute steht das knorrige und mit reichlich Moos besetzte Gewächs vor den mächtigen Mauern der Abtei Brauweiler: Dort soll im 11. Jahrhundert Mathilde, Tochter von Kaiser Otto II. und Kaiserin Theophanu, eingenickt sein und durch göttliche Eingebung den Auftrag erhalten haben, mit ihrem Mann Ezzo, Pfalzgraf von Lothringen, in Brauweiler ein Kloster zu gründen.
Das sei aber nur eine der vielen Gründungslegenden, erzählt Bettina Lambertz, die als Historikerin für den Landschaftsverband Rheinland (LVR) an der Abtei arbeitet. Damals sei es durchaus üblich gewesen, dass Adelsfamilien Klöster stifteten.
Ob der mindestens 700 Jahre alte Baum Mathilde und Ezzo tatsächlich miterlebt hat, ist nicht nachweisbar. Bezeugt ist hingegen, dass am 14. April 1024 – also vor 1.000 Jahren – sieben Mönche in Brauweiler mit der Errichtung der Abtei begannen. Die Stifterin selbst erlebte die Weihe im Jahr 1028 allerdings nicht mehr, sie starb wenige Jahre zuvor, ihr schlichtes Grabmal liegt heute in der Pfarrkirche St. Nikolaus, der ehemaligen Abteikirche.
Konflikt mit dem Kölner Erzbischof
Rund 50 Benediktiner lebten zu Hochzeiten in Brauweiler, erzählt Bettina Lambertz. Der Tagesablauf muss gemäß der Benediktsregel streng durchgetaktet gewesen sein, vermutet sie. "Die Dormitorien – also die Schlafsäle – waren nah an der Kirche gebaut, damit sie es zu den frühmorgendlichen oder nächtlichen Gebetszeiten nicht so weit hatten", erzählt sie.
Die Anlage in Brauweiler wuchs, auch weil die Tochter von Mathilde und Ezzo – Richeza – 1048 eine neue Abteikirche errichten ließ und dem Kloster große Teile der Ländereien und Höfe ihrer Familie vermachte. Dem damaligen Kölner Erzbischof Anno II. gefiel das gar nicht, denn er beanspruchte einen Teil der Güter für sich; es folgte ein jahrzehntelanger Rechtsstreit und am Ende musste der Papst ein Machtwort sprechen. An Richeza erinnert heute noch eine Reliquie in der Krypta der Abtei.
Ihre Gebeine hingegen liegen in der Johanneskapelle des Kölner Doms. Auch für die Beisetzung in Köln hatte der Erzbischof damals gesorgt, obwohl Richeza zu Lebzeiten verfügt hatte, in Brauweiler neben ihrer Mutter Mathilde beerdigt zu werden. Vermutlich ahnte Anno schon damals, dass das Grab der frommen Frau viele Besucher anlocken würde: Bereits kurz nach ihrem Tod wurde sie seliggesprochen und bis heute wird ihr Grab im Dom vor allem von polnischen Pilgern besucht, weil sie durch ihre Heirat mit Mieszko II. auch Königin von Polen gewesen war.
Napoleon beendet das Klosterleben
In Brauweiler war es 1802 vorbei mit dem monastischen Leben: Nach dem Einmarsch der Franzosen im Rheinland wurde das Kloster säkularisiert, später brachte die preußische Regierung ein Bettlerdepot und eine Arbeitsanstalt unter. Die ehemalige Abteikirche diente fortan als Pfarrkirche.
Die Arbeitsanstalt bestand mit kurzer Unterbrechung während der Nazizeit bis 1969 fort: Damals seien Menschen aus gesellschaftlichen Randgruppen, etwa Prostituierte, Alkoholabhängige oder Obdachlose dort untergebracht worden, erzählt Historikerin Lambertz. Durch Arbeit in den Wirtschaftsbetrieben oder der Landwirtschaft sollte ihr Lebenswandel "korrigiert" werden, de facto handelte es sich aber um Zwangsarbeit. Wo einst 50 Mönche gelebt hatten, wurden jetzt an die 1600 Menschen untergebracht. "Die Lebensumstände der Arbeiterinnen und Arbeiter hier waren definitiv nicht gut", so Lambertz.
Nazis nutzten die Abtei
Noch unrühmlicher wurde die Geschichte der ehemaligen Abtei in den 1930er Jahren: Wo sich einst Mönche versammelten, um Gott zu ehren, richteten die Nazis ein frühes Konzentrationslager, später dann ein Gestapo-Gefängnis ein, in dem unter anderen die Edelweißpiraten und auch der Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer für zwei Monate inhaftiert waren.
Bis heute erinnert eines der Rundbogenfenster der Abteikirche daran: Es stellt Adenauer als Daniel in der Löwengrube dar, auf den durch eine Öffnung Adolf Hitler als Personifizierung des Bösen herabschaut. Auch eine Gedenkstätte beschäftigt sich seit 2008 mit diesen dunklen Kapiteln der Abteigeschichte.
Trotzdem oder gerade wegen dieser wechselvollen Geschichte sei die Abtei faszinierend, sagt Bettina Lambertz: "Ein Kloster, das 800 Jahre als Benediktinerkloster trotz aller gesellschaftlichen und politischen Krisen und Kriege überlebt hat: Das allein ist schon etwas Außergewöhnliches. Wir stehen heute hier, 1000 Jahre später, und haben ein Fenster in die Vergangenheit."
Hinter hohen Mauern
Auch der ehemalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist der Abtei Brauweiler sehr verbunden: Er wuchs in den 1950er Jahren in der Region auf und erinnert sich noch an die mächtigen Mauern, die damalige Arbeitsanstalt umgaben. Im DOMRADIO.DE-Interview erzählt er, wie er als Pfadfinder dort mit seinen Freunden unterwegs war und sich ausmalte, was hinter diesen Mauern geschah: "Das fanden wir schon damals nicht gut", sagt er.
Heute engagiert er sich als Vorsitzender des Freundeskreises der Abtei Brauweiler, der gemeinsam mit der Kirchengemeinde St. Nikolaus und der Stadt Pulheim das Jubiläumsprogramm https://www.abtei-brauweiler.eu/ auf die Beine gestellt hat. Die Restaurierung der Klostergebäude und die Anlage eines Klostergartens gehören ebenso dazu, wie eine neue Dauerausstellung zur Geschichte der Abtei, zahlreiche Konzerte, Lesungen und Vorträge.
Für Rüttgers ist die gerade eröffnete Ausstellung "Wissen & Bewahren – Schätze aus der Klosterbibliothek Brauweiler" eines der Highlights: Sie zeigt, welche Bedeutung Klöster im Mittelalter als Orte des Wissens und der Kultur hatten: "Das ist wirklich toll, was die damals schon konnten", sagt Rüttgers.
Der offizielle Auftakt des Jubiläums wird an diesem Sonntag (14. April) mit einem großen Festakt begangen. Auf den Tag genau 1000 Jahre sind es dann her, dass sieben Mönche auf einem Acker vor den Toren Kölns den ersten Spatenstich für ihr Kloster unternahmen.