Der Primas der Anglikanischen Kirche, Justin Welby, hat erneut Bedenken gegen das in Großbritannien geplante Suizidbeihilfe-Gesetz geäußert. Das Gesetzvorhaben sei "zu unsicher", sagte der Erzbischof vor dem Oberhaus des Parlaments, in dem der Gesetzentwurf am Freitag in zweiter Lesung besprochen wurde. Als geistlicher Würdenträger gehört Welby dem House of Lords genannten Oberhaus selbst als Mitglied an.
Unterstützter Suizid
Der Gesetzentwurf gestattet es unheilbar kranken Menschen, in den voraussichtlich letzten sechs Monaten ihres Lebens medizinisch unterstützten Suizid zu begehen. Voraussetzungen dafür sind die Erlaubnis zweier Ärzte sowie eines Richters. Ein ähnliches Gesetzesvorhaben war schon 2015 im Unterhaus gescheitert.
Mitgefühl und Würde
Der Erzbischof forderte die Parlamentarier nachdrücklich auf, das Gesetz abzulehnen. "Wir alle wollen Mitgefühl und Würde für die, die vor dem Ende ihres Lebens stehen", so Welby. Aber es habe nichts mit Mitgefühl zu tun, wenn die Wünsche eines nahestehenden Menschen andere in Gefahr brächten.
Das Gemeinwohl verlange, dass Entscheidungen, Rechte und Freiheiten aller mit denen ausgeglichen sind, die "nicht so einfach gehört werden", erklärte der Erzbischof. "Durch keine noch so große Zusicherung kann sich eine verletzliche oder versehrte Person gleich sicher und wertvoll fühlen, wenn das Gesetz auf diese Weise geändert wird."
Protest britischer Kirchenführer gegen Suizidbeihilfe-Gesetz
Bereits am Donnerstag hatte Welby gemeinsam mit dem Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Vincent Nichols, und dem Oberrabbiner des Vereinigten Königreichs, Ephraim Mirvis, in einem Schreiben an die Abgeordneten gegen den Gesetzentwurf protestiert. Sie seien über das Gesetzesvorhaben "tief beunruhigt", heißt es in dem gemeinsamen Schreiben an die Abgeordneten, aus dem das Online-Portal Crux zitierte.
Gefahren für das Leben
Die Kirchenführer erkennen den Gedanken, menschliches Leid verringern zu wollen, durchaus als legitim an, heißt es in dem Schreiben. "Aber wir stimmen nicht mit den vorgeschlagenen Mitteln, um dieses sehr ernste Thema anzugehen, überein." Die Geistlichen wiesen auf die Gefahren hin, die aus der Zulassung des Gesetzes und aus den unzureichenden Schutzmaßnahmen im wahren Leben entstünden. "In unserem Glauben ist jedes Menschenleben ein wertvolles Geschenk Gottes, das hochgehalten und geschützt werden muss."
Die Kirchenführer riefen Anhänger aller Religionen auf, ihrem Aufruf zu folgen und sich für die "verletzlichsten Menschen der Gesellschaft" einzusetzen. "Wir glauben, dass das Ziel einer mitfühlenden Gesellschaft eher betreutes Leben als die Zustimmung zu betreutem Sterben sein sollte."