domradio.de: Die Erwartungen an den Papst waren hoch - konnte er sie denn erfüllen? Hat der Past die richtigen Worte am richtigen Ort gefunden?
Reiner Wilhelm (Mexiko-Referent des katholischen Lateinamerikahilfswerks Adveniat): Insgesamt gesehen: Ja. Er hat Klartext geredet, er hat Fehler eingestanden und er hat Besserung angemahnt; und zwar bei denen, die auch wirklich etwas bewegen können. Und - ganz wichtig - er war nah bei den Menschen.
domradio.de: War denn die Messe gestern am US-amerikanisch-mexikanischen Grenzzaun das, was Ihnen vor allem in Erinnerung bleiben wird?
Wilhelm: Es wird mir deswegen in Erinnerung bleiben, weil er Ciudad Juarez ausgesucht hat. Das ist eine Stadt im Niemandsland. Es ist eine Stadt in der Wüste, in Richtung USA eingemauert von einem Zaun, auf der anderen Seite in Richtung Chihuahua eingerahmt von hohen Gebirgen. Wenn man allein diese Stadt sieht, dann muss man sich schon fragen, warum er gerade diesen Ort als Schlusspunkt genommen hat. Es ist eine Stadt, die Synonym ist für Tod, aber für viele Migranten auch Synonym für Hoffnung. Sie müssen diese Stadt passieren, um in das gelobte Land USA zu kommen - insofern ein ganz, ganz wichtiges Symbol.
domradio.de: Was glauben Sie, wird von diesem Papstbesuch bleiben, der ja auch höchst politisch war - irgendetwas Konkretes, etwas Greifbares?
Wilhelm: Die Kirche versucht, das Evangelium zu verkünden. Manchmal gelingt es, manchmal eben nicht. Und Franziskus ist ein Papst, der soziale Gerechtigkeit predigt. Das heißt, er setzt sozusagen das Evangelium in Beziehung mit dem Leben, den Nöten der Menschen und mit der Realität. Ich glaube, das ist das, was von dieser Reise bleibt. Und auch die Orte bleiben, die ganz gezielt und gut gewählt worden sind. An denen er Worte gefunden hat, die den Menschen Kraft geben sollen. Es geht darum, Punkte zu setzen, die in Erinnerung bleiben werden. Ich glaube, das ist während dieser Reise sehr gut gelungen.
Das Interview führte Tobias Fricke.