Adveniat zu den Friedensgesprächen mit der FARC

"Zum ersten Mal überwiegt die Hoffnung in Kolumbien"

Ab Mitte August wollen Vertreter der FARC-Guerilla mit Regierungsvertretern weiter über eine Lösung des seit Jahrzehnten tobenden Bürgerkriegs beraten. Auch die katholische Kirche nimmt an den Friedensverhandlungen teil. Monika Lauer Perez, Kolumbien-Referentin beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, im domradio.de-Interview.

Kolumbianerin vermisst ihren Angehörigen (dpa)
Kolumbianerin vermisst ihren Angehörigen / ( dpa )

domradio.de: Zum ersten Mal sollen jetzt Opfervertreter mit in die Friedensgespräche einbezogen werden - und genau da kommt jetzt die Kirche ins Spiel - inwiefern? 

Lauer Perez: Ich würde gar nicht sagen, da kommt zum ersten Mal die Kirche ins Spiel. man könnte vielleicht sagen, in so einer prominenten Rolle kommt die Kirche das erste Mal ins Spiel. Es ist im Prinzip ein Vertrauensbeweis, dass man der Kirche zutraut, die  Glaubwürdigkeit aller Parteien da zu repräsentieren. 

domradio.de: Die Kirche soll also dabei helfen, 60 Personen auszuwählen, die stellvertretend für sechs Millionen Gewaltopfer im Land stehen. Nach welchen Kriterien suchen denn die Kirchenleute diese Opfervertreter aus?

Lauer Perez: Wenn man diese Zahlenrelationen hört, dann kann man sich schon vorstellen, dass das fast einer Quadratur des Kreises gleichkommt. 60 Repräsentanten von sechs Millionen Opfern gut auszuwählen ist natürlich sehr, sehr schwierig. Es muss da ein Gleichgewicht hergestellt sein zwischen den verschiedenen Opfergruppen. Es gibt ja Opfer der Guerilla, genauso wie Opfer der Paramilitärs, wie auch Opfer der Regierung. All diese Gruppen müssen repräsentiert sein. Die Vielfalt, auch die ethnische Vielfalt in Kolumbien spielt da eine Rolle, Afro-Kolumbianer, Indigene, Mestizen - all diese Gruppen müssen auch vertreten sein. Und diese Personen müssen über eine moralische Integrität verfügen, müssen glaubwürdig sein, damit hinterher die große Menge der Opfer auch glaubt, dass sie wirklich die Interessen der Opfer vertreten haben. Auch eine gewisse Fähigkeit, die verschiedenen Faktoren, die zu den jeweiligen Grausamkeiten geführt haben, zu erkennen und mit zu bewerten.

domradio.de: Das heißt, das macht die Kirche aber nicht alleine, sondern wahrscheinlich unterstützt durch Wissenschaftler, nehme ich an, oder?

Lauer Perez: Ja. Da werden auch UNO-Delegierte mit von der Partie sein. Dann gibt es von der Nationalen Universität ein Zentrum, das sich mit dem Konflikt als solchem schon jahrelang beschäftigt. Die werden alle involviert sein.

domradio.de: Taugt die katholische Kirche in Kolumbien denn grundsätzlich als Vermittlerin? Wird sie von den beiden Konfliktparteien respektiert?

Lauer Perez: Sie wird sicher respektiert, und zwar in einem Maße respektiert, was so kein anderer Akteur in Kolumbien hat. Aber aus einer aktiven Vermittlerrolle hat die Kirche sich immer zurückgehalten. Sie wollte das nicht, um sich nicht irgendwann mal Vorwürfe anhören zu müssen, dass sie für die eine oder andere Partei Erleichterung geschaffen hat. Es ging der Kirche bisher immer darum, den Dialog aufrechtzuerhalten, also dafür zu sorgen, dass dieser Dialog, der ja schon seit 2012 im Gang ist, nicht abreißt.

domradio.de: Wie schätzen Sie das denn ein: Bieten die Friedensverhandlungen in Havanna  eine reale Chance, Kolumbien langfristig aus der Spirale der Gewalt zu befreien?

Lauer Perez: Ich hoffe es sehr. Bisher habe ich immer eher zu den Skeptikern gehört, muss ich ganz ehrlich zugeben, obwohl ich es mir so sehr wünsche. Aber dieser Schritt ist ein so bedeutender Schritt, dass zum ersten Mal wirklich die Hoffnung überwiegt, dass es tatsächlich zu einem guten Ende kommen kann.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR