Bad Münstereifel fünf Monate nach der Flut

Advent - eine Zeit des Wartens

Die Flut in NRW und Rheinland-Pfalz ist zwar schon mehrere Monate vorbei, aber die Folgen dauern an. Wie sieht es in der Adventszeit in Bad Münstereifel aus, einem Ort, der extrem von der Flut betroffen war?

Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen / © Marius Becker (dpa)
Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen / © Marius Becker ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie ist die Lage in Bad Münstereifel jetzt, ungefähr fünf Monate nach der Flut?

Pfarrer Christian Hermanns (Leitender Pfarrer des Seelsorgebereichs Bad Münstereifel): Da ist der Advent ein guter Vergleich. Ich komme mir wirklich langsam vor wie in einer adventlichen Stimmung. Warten und Geduld bei mir, aber auch bei vielen Leuten. Nach dem Chaos der ersten Tage oder auch Wochen nach den Müllbergen, die jetzt alle weggearbeitet worden sind, ist jetzt Warten und Geduld angesagt, für viele Menschen, aber auch für uns als Kirchengemeinden. Es wird langsam etwas heller. Es gibt Licht am Ende des Tunnels, was Aufbauarbeiten angeht, öffentlich wie privat. Aber es braucht Zeit, weil vieles immer noch trocknen muss. Überall laufen auch noch Trocknungsgeräte. Handwerker sind auch schwer zu bekommen, Material sowieso. Das ist wie im öffentlichen Leben schlechthin. Das kommt hier noch mal top down für die Menschen, die teilweise noch nicht in ihren Wohnungen sind, in Ferienwohnungen unterkommen. Da war ich die Tage noch bei Familien. Aber auch selbst wenn sie in ihren eigenen vier Wänden sind, leben die oft noch auf einer Baustelle.

DOMRADIO.DE: Der Advent ist eigentlich so eine Zeit, in der man viel Zeit zuhause verbringt. Wie geht es den Menschen mit dem Gedanken, dass genau das gerade irgendwie nicht so möglich ist, wie man es kennt und es wohl auch nicht so schnell so sein wird?

Hermanns: Schwierig zu sagen, bei manchen kommen jetzt auch die Gedanken und Bilder der vergangenen Monate wieder hoch. Also an wirkliche Adventsstimmung, wie wir sie kennen, schätzen und lieben, ist bei den meisten ja nicht zu denken. Die funktionieren und müssen gucken, dass sie schnellstmöglich, das wird noch Monate dauern, ihre Wohnungen, vielleicht sogar ihre Geschäftsräume wieder ans Laufen kriegen.

DOMRADIO.DE: Sie sind leitender Pfarrer des Seelsorgebereichs Bad Münstereifel. Was können denn die Kirchen und auch die einzelnen Pfarreien gerade tun? Gibt es Angebote für die Menschen, die Hilfe brauchen, egal in welcher Form?

Hermanns: Ja, wir haben einmal die normalen Gottesdienste, die weiterlaufen, Gott sei Dank. Abgesehen von zwei Kirchen, die stark betroffen sind. Da haben wir aber Ausweichmöglichkeiten. In Iversheim benutzen wir das Pfarrheim und hier in Bad Münstereifel selber ist die alte Stiftskirche sehr betroffen. Da haben wir, Gott sei Dank, noch die Jesuitenkirche, die nur einen Steinwurf weit entfernt ist. Darüber hinaus gibt es, leider Gottes, auch Corona geschuldet, keine weiteren Möglichkeiten, die Menschen einzuladen, weil wir auch zwei Pfarrheime nicht nutzen können, das eine wird, wie gesagt, für den Gottesdienst verwendet, das andere haben wir einem Kindergarten und der Caritas zur Verfügung gestellt, die selbst hier abgesoffen sind. Das ist leider anders nicht möglich.

Und was wir immer von Anfang an schon gemacht haben, ist in guter Kooperation mit der evangelischen Kirchengemeinde. Wir haben ein Netzwerk für psychosoziale Hilfe aufgebaut. Das hat sich immer mehr professionalisiert. Nach einer großen Improvisation am Anfang. Da waren vorrangige Themen einfach da sein, zuhören, eventuell vermitteln. Aber das wird zunehmend professioneller. Wir kriegen auch jetzt einen neuen Standort mit einem Container zur Verfügung gestellt, weil die Räumlichkeiten im evangelischen Pfarrzentrum jetzt auch nicht mehr zur Verfügung stehen.

Mittlerweile kommen da die Sorgen. Ein Beispiel: viele Eltern, die sich immer mehr Sorgen um die Kinder und Jugendlichen machen. Da geht es um den Einbruch der Schulnoten, beginnen scheinbar grundlos zu weinen, verweigern manchmal ganz den Unterricht. Da sind wir froh, dass wir über die Diakonie eine feste Stelle jetzt wohl einrichten können, die uns das Ehrenamt, was wir zur Verfügung gestellt haben, dann auch die Arbeit entlastet, somit auch gerade unsere Engagementförderin im Seelsorgebereich dann wieder ihrer originären Aufgabe nachkommen kann. Wir sind zunehmend auch dankbar, dass wir immer mehr Traumatheratpeuten, Psychotherapeuten, Coaches, Psychiater haben, die wirklich zur Verfügung stehen und es, nicht wie sonst, lange Wartezeiten auf Therapieplätze gibt.

Das Interview führte Michelle Olion.


Christian Hermanns, Leitender Pfarrer in Bad Münstereifel / © Alex Foxius (DR)
Christian Hermanns, Leitender Pfarrer in Bad Münstereifel / © Alex Foxius ( DR )
Quelle:
DR