Adventsimpuls von Bischof Wiesemann

"Christus erwartet uns mit offenen Armen"

Der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann blickt in seinem Adventsimpuls für domradio.de auf seine Erlebnisse als Jugendbischof auf dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro zurück.

Bischof Wiesemann (KNA)
Bischof Wiesemann / ( KNA )

Zu einem Adventskalender gehören die Vorfreude und das Überraschungsmoment. Ich lade Sie heute dazu ein, die Uhren gut sechs Monate zurückzustellen. Kommen Sie mit mir auf eine kurze gedankliche Reise nach Rio de Janeiro gut 9800 Kilometer von Deutschland entfernt.

In der zweitgrößten Stadt Brasiliens fand im Sommer, unter dem Motto "Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern", der erste Weltjugendtag mit dem neugewählten Papst Franziskus statt. Und ich durfte als Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz daran teilnehmen.

Noch heute bin ich tief davon beeindruckt und bewegt. Und gerne möchte ich Ihnen von einem besonderen Erlebnis erzählen, von Vorfreude und Enttäuschung, aber auch von einer großen Überraschung.

Zu Rio de Janeiro gehört, neben der Copacabana, unzweifelhaft auch der fast 40 Meter hohe Cristo Redentor. Die große Christusstatue auf dem Berg Corcovado empfängt jeden Besucher der Stadt schon von weitem mit seinen geöffneten Armen. Mit dieser Geste des Willkommens ist er zu einem Symbol für das große internationale katholische Jugendtreffen geworden. Christus lädt alle Menschen dazu ein, das eigene Leben mit ihm zu leben und so glücklich zu werden.

Meine Vorfreude war sehr groß an einem frühen Morgen mit Jugendlichen und den Mitgliedern der deutschen Delegation den Berg zu besteigen und diesen Christus, der auch katholischer Wallfahrtsort ist, aus nächster Nähe zu sehen. Nicht zuletzt verspricht jeder Reiseführer einen wunderbaren Blick auf den Zuckerhut.

Oben angekommen, verflog die Vorfreude allerdings ziemlich schnell. Stattdessen machten sich nicht nur bei mir Ernüchterung und Enttäuschung breit. Der ganze Berg und mit ihm die Statur war im dichten Nebel verhüllt, so dass man kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Es war nicht nur unmöglich, den Zuckerhut oder das Meer zu sehen, sondern auch der Cristo Redentor war höchstens schemenhaft erkennbar.

Die jungen Weltjugendtagspilger ließen sich davon allerdings nicht weiter verunsichern. Sie stimmten allmählich und fröhlich Lieder und Hymnen zum Lobpreis Gottes an. Und da geschah zur freudigen Überraschung von uns allen etwas wirklich Beeindruckendes. Erste Sonnenstrahlen bahnten sich den Weg durch den bis dahin noch dichten Nebel. Immer schneller und kraftvoller gelang es der Sonne das Dunkel zu vertreiben. Die Luft wurde klarer und gab den Blick schließlich frei auf das großartige Panorama und den eindrucksvollen Christus. Dieses Erlebnis ist für mich zu einem hoffnungsvollen Bild, auch für Zukunft unserer Kirche, geworden.

Immer wieder gab und gibt es innerhalb der Kirche und in der Gesellschaft Ereignisse, die uns wie dichter Nebel umfangen halten. Die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, sind groß. In den Diözesen fragen wir uns, welches geistliche und strukturelle Konzept zukunftsfähig ist.

Und auch auf weltkirchlicher Ebene ringen wir um neue Wege der Verkündigung der frohen Botschaft, die unserer Zeit angemessen sind. Nicht selten blieben der schnelle Erfolg und die rasche Klärung der Situation aus. Unser Blick bleibt getrübt. Ja, der Herr selbst scheint kaum mehr anwesend zu sein. Schnell kann sich dann Enttäuschung breitmachen. Gerade dann, wenn wir viel Mühe in den Aufstieg investiert und uns auf den Erfolg gefreut haben.

Ich glaube, wir können hier als Kirche im Blick die jungen Weltjugendtagspilger lernen. Auch wenn dichter Nebel zunächst die Sicht auf ihn versperrt hatte, so wussten sie, er ist doch wirklich da. Warum sollte es dann Grund zur Enttäuschung oder sogar zu Angst geben? Es waren das feste Vertrauen auf ihn, auf Christus, und die jugendlich starke Hoffnung, die schließlich die Initiative ergriffen haben. Die ganze Kirche ist eingeladen wieder neu auf den Geschmack zu kommen. Mit ganzer Kraft zu beten, zu singen und sich an der Schönheit des Glaubens und der Kirche zu freuen.

Das scheint mir auch für den Erfolg der strukturellen Veränderungen, die notwendig sind, die entscheidende Voraussetzung zu sein. Ich bin fest davon überzeugt, so wie ich es auch in Rio de Janeiro erfahren habe, dass sich dann der Herr, der die Sonne der Gerechtigkeit und des Friedens ist, tatsächlich neue Bahnen bricht. Unser Blick kann sich weiten und wir entdecken neue Horizonte und neue Wege. Christus erwartet uns mit offenen Armen, damit wir den Weg in die Zukunft mit ihm gehen.

Christus erwartet Sie und uns alle auch in wenigen Tagen. An Weihnachten kommt er in die Welt und schenkt sich selbst als den Frieden, den sie so dringend braucht. Und so wünsche ich Ihnen und Ihren Familien eine gute Adventszeit, ein friedvolles und ein gesegnetes Weihnachtsfest.

Alles Gute und Gottes Segen für das neue Jahr.


Bischof Wiesemann in Rio (KNA)
Bischof Wiesemann in Rio / ( KNA )