Afghanische Polizisten foltern Kinder und Jugendliche

Deutsche Ausbilder in der Pflicht?

Afghanische Polizisten foltern und misshandeln nach einer Studie des UN-Kinderhilfswerks UNICEF auch Minderjährige. Das berichtet das ARD-Magazin "Report Mainz" am Montag. Die Vorfälle sind von besonderer Brisanz für die Bundesregierung, weil sie für die Ausbildung der afghanischen Polizei zuständig ist. Das Magazin stützt sich auf die Studie "Gerechtigkeit für Kinder", die UNICEF und die unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission mit Unterstützung der Bundesregierung erstellt haben.

 (DR)

«Physische Gewalt, Missbrauch und Folter sind üblich während Haft und Verhör», heißt es in der Studie. Zwischen März 2007 und März 2008 wurden demnach 1.674 Kinder in Afghanistan von der Polizei festgenommen. Für die Untersuchung wurden 247 Minderjährige in Jugend-Rehabilitationseinrichtungen befragt. 36 Prozent der Jugendlichen sagten aus, dass sie von der Polizei misshandelt worden seien, sagte Dorothea Grieger von UNICEF in Kabul im Interview.

Das Außenministerium in Berlin teilte dem Magazin mit, die Bundesregierung nehme die Ergebnisse der Studie sehr ernst. Es gebe bei der afghanischen Polizei «sicherlich Misshandlungen».

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, räumte gegenüber dem Magazin ein: «Es ist uns natürlich nicht gelungen, eine Polizei in der Größenordnung von 80 000 Leuten auszubilden, die rechtsstaatlich wirklich einwandfrei handeln.» Unter Berufung auf die GdP berichtet die ARD, die deutsche Polizeischulung in Afghanistan beschränke sich meist auf sechswöchige Schnellkurse. Darin enthalten seien vier Stunden «Rechtskunde» Unterricht.

Polizei in desolatem Zustand
Die Afghanistan-Expertin Citha Maass, Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik, kritisiert das Polizeisystem in Afghanistan. «Anders als Soldaten werden Polizisten fast immer in ihrer Heimatprovinz eingesetzt, sie sind daher in lokale Machtstrukturen eingebunden und somit erpressbar», sagte Maass am Montag gegenüber dem Evangelischen Pressedienst.

Die afghanische Polizei sei mit einer europäischen Polizei nicht zu vergleichen, sagte Maass. Die Misshandlung von Häftlingen sei leider an der Tagesordnung. Viele Polizisten hätten im Krieg gekämpft und behandelten Gefangene auch heute so, wie sie es von früher kennen. Bis zu 80 Prozent der Polizisten seien Analphabeten. Im vergangenen Jahr seien die Beamten zur Hauptzielscheibe für Anschläge der Taliban und anderer Aufständischer geworden.

Mit umgerechnet 70 bis 90 US-Dollar pro Monat würden afghanische Polizisten wie alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst schlecht bezahlt und seien anfällig für Korruption. «Wer Macht oder Geld hat, kann sich der Polizei bedienen», sagte Maass. Die Afghanistan-Expertin begrüßte, dass immerhin die Auszahlung der Polizeigehälter verbessert wurde. Als dringend notwendig bezeichnete sie die Reform des afghanischen Justiz- und Rechtssystems. «Denn sonst steht der einzelne Polizist auf verlorenem Posten», sagte sie.

Von Deutschland fordert die Expertin mehr Ausbilder nach Afghanistan zu schicken.


Deutschland will 50.000 afghanische Polizisten ausbilden
Das Kabinett hat im September beschlossen, im Rahmen einer EU-Mission künftig bis zu 120 deutsche Polizisten statt bisher 60 nach Afghanistan zu entsenden. In der direkten Zusammenarbeit mit Afghanistan sollen zudem bis zu 50 Kurzzeitausbilder in dem Land sein.

Die Bundesregierung hatte 2002 beschlossen, 50.000 afghanische Polizisten durch deutsche Spezialisten auszubilden. Bislang wurde nach Angaben des Auswärtigen Amtes etwa die Hälfte davon trainiert.

Neben der Ausbildung der Polizei beteiligt sich Deutschland auch an der Bezahlung afghanischer Polizisten. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes stellt die Bundesregierung zehn Millionen Euro für den UN-verwaltete LOFTA-Fonds bereit, damit in Afghanistan die Gehälter der örtlichen Polizisten bezahlt werden können. "Wenn wir wollen, dass die afghanische Polizei selbst für Sicherheit im Land sorgt, müssen wir auch eine angemessene und regelmässige Bezahlung der Polizisten sicherstellen", begründete Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) noch Anfang des Monats die deutsche Hilfe für diesen internationalen Treuhandfonds. Der Fonds wurde 2002 ins Leben gerufen. In den Jahren 2006 bis 2008 betrug sein Volumen knapp 300 Millionen Euro.


«Report Mainz» wird am Montag ab 21.45 Uhr ausgestrahlt.