Afrika-Seelsorger fordert in Buch "Gott, Aids, Afrika" Umdenken der Kirche

Streitschrift an den Papst

Stefan Hippler ist zornig: Da sind weltweit bereits mehr als 25 Millionen Menschen an Aids gestorben. Da muss der katholische Priester auf der von ihm gegründeten Kinderstation im Tygerberg-Krankenhaus in Kapstadt immer wieder miterleben, wie schon kleine Kinder an Aids sterben. Und trotzdem schafft es seine Kirche nicht, die Jahrhunderte alten Gebote der kirchlichen Sexualmoral zu überdenken? Gemeinsam mit Prominenten will er nun den Papst aufrütteln.

 (DR)

"Kirchendisziplin darf nicht höher als Recht auf Leben stehen"
Zusammen mit dem langjährigen Afrika-Korrespondenten der "Zeit", Bartholomäus Grill, und dem schwedischen Bestsellerautor Henning Mankell hat der aus der Eifel stammende Geistliche deshalb eine "Streitschrift" verfasst, die Papst, Kardinäle und Bischöfe aufrütteln soll. "Es darf einfach nicht sein, dass die Kirchendisziplin höher steht als das Recht auf Leben", beschwört er in dem am Montag auf den Markt kommenden Buch "Gott, Aids, Afrika" insbesondere Papst Benedikt XVI.

Das Kirchenoberhaupt müsse sich klar vor Augen führen, dass "die Gebote der kirchlichen Sexualmoral für jene Menschen, die sie strikt befolgen, einem Todesurteil gleichkommen können", warnt der Priester und verweist insbesondere auf die Ehefrauen, deren Männer untreu sind. Hippler, der seit 1997 die deutschsprachige katholische Gemeinde am Kap betreut und dort das Aids-Projekt "Hope" aufgebaut hat, sieht sich keinesfalls als Kirchenrebell. Eher als Seelsorger, der in der konkreten Arbeit vor Ort oftmals an der Lehre seiner Kirche verzweifelt.

Wenn es um die Pflege von Aidskranken gehe, stehe die katholische Kirche in vielen Entwicklungsländern in der ersten Reihe, lobt er. Doch wenn es um die Wahrnehmung der Aids-Problematik und die Frage des Kondomgebrauchs geht, sieht er viele Bischöfe und Priester als weltfern und verstockt. Dahinter steckt nach Auffassung Hipplers die Angst, dass das gesamte Moralsystem der Kirche ins Rutschen kommen könnte. Und dass die Autorität des Papstamtes leiden könnte, weil die Kirche vieles in ihrer noch von den Kirchenvätern und dem Mittelalter geprägten Lehre über Sexualität korrigieren müsste.

"Kartell des Schweigens und Verdrängens"
Aus eigener Erfahrung weiß Hippler, dass die Kirche mit dieser Haltung nicht alleinsteht. Auch die südafrikanische Regierung und viele aus den Eliten Afrikas gehörten wegen verletztem Stolz, Aberglauben oder Borniertheit zum "Kartell des Schweigens und Verdrängens". Und der Priester betont auch, dass eine Zulassung von Kondomen allein das Problem nicht lösen kann. Armut, fehlende Bildung und insbesondere die Unterdrückung der Frauen verhinderten ein Umsteuern. Dennoch ist der 47-Jährige überzeugt davon, dass die katholische Kirche als stärkste Religionsgemeinschaft der Welt einen größeren Beitrag zur Bekämpfung der Seuche leisten muss und kann.

Hoffnung setzen die Buchautoren auf Benedikt XVI. Gerade weil der jetzige Papst Glauben und Vernunft nicht als Gegensatz sehe, könne er die Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaften ermöglichen und eine ganzheitliche "Aids-Theologie" auf den Weg bringen, die in allen Erkrankten den leidenden Jesus erkenne. Für Hippler ist es ein Hoffnungsschimmer, dass der vatikanische Gesundheitsminister, Kardinal Javier Lozano Barragan, eine Studie über den Gebrauch von Kondomen bei Aids abgeschlossen und an Papst und Glaubenskongregation übergeben hat.

Und der Geistliche hat eine Utopie: Vielleicht könne Benedikt XVI. bei der für 2009 angekündigten zweiten Afrika-Synode ein bahnbrechendes Zeichen setzen und zwei Tage für das Thema Aids reservieren. "Einen Tag, um Menschen, die den Virus im Körper tragen, einfach nur zuzuhören. Und einen zweiten Tag, um ihre Berichte zu reflektieren und zu beten."