Das Feuer wirft tanzende Schatten an die Fassade der Kirche, es knackt leise. Um die Flammen haben sich jene versammelt, die zusammen die erste Osternacht in Ahrweiler nach der verheerenden Flutkatastrophe feiern wollen. Heiko Marquardsen, Priester in der katholischen Gemeinde von Bad Neuenahr-Ahrweiler, zieht mit der Osterkerze, auf der sich ein Regenbogen wie ein Flusslauf windet, ans Feuer. "Wir wollen heute davon erzählen, dass wir Hoffnung haben", sagt er.
Folgen der Flut
Weil das Wasser auch in der Pfarrkirche Sankt Laurentius eine dicke Schlammschicht hinterlassen hat, weicht die Gemeinde in das ehemalige Kloster Calvarienberg aus. Es liegt leicht erhöht, fünf Minuten sind es von hier zu Fuß bis zur Ahr. "Tja, es ist halt ganz anders", bekundet ein Mann mittleren Alters. Es geht ihm nahe, dass der Gottesdienst nicht in der Kirche im Ort stattfinden kann. Und dann ist da die Wut ob all der Zerstörung und der Toten. Sein Bekannter ist einer von ihnen.
Wenige hundert Meter entfernt zeugen braune Linien an den Hausfassaden von den Wasserständen im Juli, die Erdgeschosse werden immer noch kernsaniert. Das Ufer der Ahr ist ein Trümmerhaufen, eine Behelfsbrücke führt über den Fluss. In der Altstadt reihen sich die mit Bretter vernagelten Geschäfte aneinander. Am späten Nachmittag des Karsamstags sitzen vor dem einen geöffneten Lokal ein paar Leute an Tischen im Sonnenschein. Die Scheiben am Haus gegenüber sind schlammverspritzt. In der Eisdiele steht eine Tür offen, darin eine kleine mobile Theke mit einer Handvoll Eissorten. Im großen, leeren Raum dahinter hallt es von den nackten Wänden.
Osterlachen und Hoffnung
Marquardsen hat sich an diesem Abend vorgenommen, seine Gemeinde zum Lachen zu bringen, den Gottesdienstteilnehmern zumindest ein Schmunzeln zu entlocken. Der "risus paschalis", das Osterlachen, ist ein alter Brauch in der katholischen Kirche. "Ich glaube, das ist heute so ein bisschen das Entscheidende an der Osternacht, Menschen mit guter Laune nach Hause zu schicken", betont er.
Marquardsen spricht kurz von der Auferstehung, vor allem aber spricht er von Geborgenheit und Licht, von Halt und davon, dass es Hoffnung gibt auf etwas, das stärker ist als der Schmerz der vergangenen Wochen und Monate. Und er fordert seine Gemeindemitglieder auf, die Hoffnung weiterzutragen an jene Menschen, die sie besonders brauchen. "Schenken Sie ihnen etwas von diesem Licht, seien Sie ihnen Halt", bittet er die Frauen und Männer. "Weil Sie das wirklich ganz besonders gut können, Menschen von Ostern zu erzählen."
Osterkerzen für Zuhause
Für sie ist dieses Ostern mit Schwermut verbunden, sagt eine Frau vor der Kirchentür. Wegen Corona kann der Chor nicht singen, die Pfarrkirche ist zerstört, der Krieg in der Ukraine und natürlich - die Flut. "Ich habe das Gefühl, dass für uns die Karfreitage gar nicht enden", sagt sie leise. "Trotzdem brauchen wir die Hoffnung auf Ostern. Wenn wir Ostern nicht hätten ..." Dann stockt sie.
Drei Stunden zuvor, bei der Familienmesse. In der kleinen Kapelle direkt unter der Kirche versammeln sich Kinder mit ihren Eltern und Großeltern. Die Tür geht zu, schließt die Abenddämmerung aus. "Wenn es dunkel ist, da hab ich irgendwie immer so ein bisschen Angst", sagt ein kleines Mädchen, das in einer Schar Gleichaltriger bei Marquardsen auf dem Boden sitzt. Der nickt und entzündet ein Streichholz. "Das feiern wir heute, dass wir ein Licht finden und wissen, wir sind nicht allein, wenn wir Angst haben", sagt er dann. Kerzenschein verteilt sich im Raum.
Nachdem die Familien von der Kapelle in die Kirche gezogen sind, sitzen die Kinder um den Altar. Sie bemalen und bekleben vormals weiße Kerzen, helles Stimmengewirr tönt durch die heilige Halle. Ein rotes Herz prangt auf weißem Wachs. Eine Osterkerze für Zuhause, sagt Marquardsen, ein Hoffnungslicht. Später, in der großen Feier der Osternacht, wird er das Exsultet singen, das Lob auf ebenjene Kerze und die Nacht, die Himmel und Erde verbindet.
Ein kleines Hoffnungslied
Im Dunkel entzündetes Licht, das sich langsam verbreitet, biblische Lesungen, die einen Bogen von der Erschaffung der Welt bis hin zur Auferstehung schlagen, jubilierender Orgelklang und Glockengeläut, die Segnung jenes Wassers, mit dem Gläubige bei der Taufe in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen werden - die Osternacht ist eine große Komposition: Der Tod hat keine Macht mehr, nun, da Christus ihn besiegt hat. Doch auf dem Calvarienberg überwiegt in der Feier nicht das Triumphalistische. Der österliche Jubel ist ein kleines Hoffnungslied. Er soll Stärkung sein, sagt Marquardsen.
Draußen ist es stockdunkel, es geht auf Mitternacht zu. Die Gemeindemitglieder treten vor die Tür, in mancher Hand brennt noch die kleine Flamme des Osterlichts. Von der Stufen herabsteigend, fällt der Blick auf die andere Seite des Flusses, den historischen Kern von Ahrweiler. Sankt Laurentius ist eingerüstet. Die Ahr schlängelt sich ruhig durch ihr Bett, sie rauscht leise.