"Aktion Mensch" hilft seit 50 Jahren

Respekt statt Mitleid

Am Anfang hieß sie "Aktion Sorgenkind" - inzwischen ist daraus die "Aktion Mensch" geworden. Mit Fernsehshows und Lotterieverkäufen unterstützt der Verein seit 50 Jahren Menschen mit Behinderung.

Seit 50 Jahren im Einsatz für Behinderte: Aktion Mensch / © Martin Gerten (dpa)
Seit 50 Jahren im Einsatz für Behinderte: Aktion Mensch / © Martin Gerten ( dpa )

 Als die "Aktion Mensch" vor 50 Jahren gegründet wurde, war der Begriff der Inklusion - der Teilhabe von behinderten Menschen am gesellschaftlichen Leben - ein Fremdwort. Damals hieß der Verein "Aktion Sorgenkind". Behinderte Menschen standen oft abseits der Gesellschaft: Sie wurden bemitleidet und versteckt, entweder von ihren Familien in den eigenen vier Wänden oder in Einrichtungen auf der "grünen Wiese". Heute ist es Ziel der "Aktion Mensch", möglichst vielen Behinderten ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Um ihre Lage zu verbessern, gründeten das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) und die Wohlfahrtsverbände 1964 die Aktion, die ihren Sitz heute in Bonn hat. Es war die Zeit, als nach dem Arzneimittelskandal um das Schlafmittel Contergan viele Kinder mit Fehlbildungen geboren wurden. "Aktion Sorgenkind" wollte zunächst vor allem über die Lebensbedingungen von behinderten Kindern informieren und ihren Alltag durch Erlöse aus einer Soziallotterie leichter machen.

Mitglieder des Vereins sind heute neben dem ZDF die kirchlichen Verbände Diakonie und Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Ein Kuratorium entscheidet darüber, welche Projekte gefördert werden. Als Preise winken den Käufern der Lose heute unter anderem Geldgewinne bis zu einer Million Euro.

"Der Große Preis" mit Hund Wurm und Elefant Wendelin

Der Talkmaster Peter Frankenfeld moderierte am 9. Oktober 1964 die erste Spielshow "Vergißmeinnicht" zugunsten von "Aktion Sorgenkind". Über den "Glückspostboten" Walter Spahrbier brachte der Moderator das lange verdrängte Thema Behinderung in die deutschen Fernsehzimmer.

Als erstes Projekt erhielt die Lebenshilfe im mittelhessischen Marburg 200.000 D-Mark als Zuschuss für den Neubau eines Kurheims für geistig behinderte Kinder. Später warben die Loriot-Geschöpfe Hund Wum und Elefant Wendelin mit Moderator Wim Thoelke in der Show "Der Große Preis" um mehr Verständnis und Hilfe für Behinderte. In den 1990er Jahren geriet die Aktion in eine wirtschaftliche Krise - die Zuschauerzahlen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sanken und damit auch die Losverkäufe.

Die "Krüppelbewegung", eine emanzipatorische Behindertenbewegung, erreichte, dass die Sozialorganisation ihren Namen korrigierte: Menschen mit Handicap sollten nicht mehr mitleidheischende "Sorgenkinder" sein, sondern anerkannte und gleichberechtigte Bürger. Seit 1984 hieß sie "Deutsche Behindertenhilfe", seit dem Jahr 2000 dann "Aktion Mensch". Inklusion ist seit den 1990er Jahren Schwerpunkt der Arbeit.

Rückgang des Losverkaufs bedroht Arbeit

Mehr als 3,5 Milliarden Euro hat die "Aktion Mensch" in den vergangenen fünf Jahrzehnten an soziale Projekte weitergegeben, sagt Caroline Hendricks, die in der Bonner Geschäftsstelle die Veranstaltungen im Jubiläumsjahr koordiniert. Damit ist sie nach eigenen Angaben Deutschlands größte private Förderorganisation im sozialen Bereich.

Die Arbeit der Soziallotterie ist derzeit durch einen Rückgang des Losverkaufs über die klassischen Vertriebswege - Postwurfsendungen, Banken, Sparkassen - und durch ein Gerichtsverfahren bedroht. Im Streit mit dem Land Rheinland-Pfalz um den Vertrieb von Lotterielosen im Einzelhandel errang die "Aktion Mensch" nun einen Teilerfolg. Das Mainzer Verwaltungsgericht entschied, dass die Handelsketten REWE und dm keine Erlaubnis benötigen, um an ihren Kassen Losgutscheine anzubieten. Allerdings braucht die "Aktion Mensch" dafür eine staatliche Genehmigung.

Das für länderübergreifende Lotterien zuständige Land Rheinland-Pfalz beklagt zudem, dass die Soziallotterie das Potenzial habe, Menschen zur Glücksspielsucht zu verleiten. Eine solche restriktive Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags gefährde den Bestand von "Aktion Mensch", entgegnet Sprecher Sascha Decker. Weil auch der Vertrieb von Online-Losen erschwert worden sei, sei ein weiterer Rechtsstreit anhängig.

Mit Aufklärungskampagnen wolle die "Aktion Mensch" weiter daran arbeiten, ihr Ziel der vollständigen Inklusion zu erreichen, sagt der Vorstand von "Aktion Mensch", Armin von Buttlar. Sie testet Wahllokale, setzt sich ein für barrierefreies Internet und treibt Diskussionen um Bioethik voran. Und ab Herbst soll dann ein neues Jugendportal im Internet den Gedanken des gleichberechtigten Miteinanders in die nächste Generation tragen.