Wurde der Geburtsort des Apostels Petrus gefunden?

Alles reine Spekulation

Kaum ein Tag ohne Meldung archäologischer Sensationsfunde im Heiligen Land. Wurde nun der Geburtsort des Apostels Petrus gefunden? Der Leiter des Deutschen Protestantischen Archäologischen Instituts in Jerusalem rät zur Vorsicht.

Statue des Apostels Petrus vor dem Petersdom / © Zebra 0209 (shutterstock)
Statue des Apostels Petrus vor dem Petersdom / © Zebra 0209 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Forscher scheinen sich ja relativ sicher zu sein, den Geburtsort des Apostels Petrus gefunden zu haben. Die Funde einer Kirche passen wohl zur Darstellung des Bischofs Willibald von Eichstätt aus dem 8. Jahrhundert. Haben wir es also tatsächlich mit einem archäologischen Sensationsfund zu tun?

Prof. Dieter Vieweger (Leiter des Deutschen Protestantischen Archäologischen Instituts in Jerusalem): Ich glaube nicht, dass man das sagen kann. In Israel sind zur Zeit etwa 40 bis 50 Grabungsruppen aktiv. Jede muss natürlich etwas ganz Besonderes finden, am besten eine Sensation. Wenn man sich dann die Funde ganz konkret anschaut, wird das alles ein bisschen kleiner, als es zunächst in der Presse steht. 

DOMRADIO.DE: Lassen wir uns auf die Details schauen. Ihre israelischen Kollegen berufen sich in erster Linie auf eine Erzählung des Bischofs Willibald von Eichstätt aus dem 8. Jahrhundert. Was genau schildert Willibald denn? 

Vieweger: Willibald läuft am Nordufer des Sees von Osten her bis nach Kafarnaum, das viele Pilger gut kennen. Er trifft auf dem Weg auf einen Ort, den er Bethsaida nennt und den wir schon lange suchen und wo wir nicht so genau wissen, wo er gelegen hat. 

DOMRADIO.DE: Es gebe keine andere Kirche zwischen Kursi und Kafarnaum, sagt der Leiter der aktuellen Ausgrabung. Warum ist das in Ihren Augen nicht so einfach? 

Vieweger: Das ist gar nicht einfach, weil wir in großen Teilen dieses Gebietes einfach keine Ausgrabungen haben. Da könnten durchaus noch andere Kirchen sein! Zumal die Kirche, die jetzt hier ausgegraben worden ist, mit 20 mal 30 Metern gar nicht besonders groß ist. Sie sieht aus wie eine ganz normale byzantinische Kirche. Und solche könnte es natürlich an dieser Stelle und im Nordbereich des Sees viele gegeben haben. Die stecken im Sumpf. Der See hat sich immer wieder verändert und hat vieles auch unter sich begraben. 

DOMRADIO.DE: Wo genau sehen Sie denn die Schwachstellen in der Argumentation der israelischen Forscherkollegen? 

Vieweger: Wenn Pilger hierher kommen und die authentischen Orte des Neuen Testamentes sehen wollen, ist das ein großes Problem. Wir wissen bei vielen Orten einfach nicht, wo sie genau liegen. Bethsaida ist im Schwämmbereich des Sees Genezareth untergegangen. Wo die Kollegen jetzt graben, könnte er sein. Aber er kann an vielen anderen Stellen auch sein.

Wie finde ich einen Ort mit Namen? Da bräuchte ich ein Ortseingangsschild oder ein Klingelschild oder was auch immer. Das finden wir in der Archäologie aber leider nicht. Es ist immer schwer, solche Identifikation herzustellen, wenn wir sie nicht durch Inschriften belegt haben. Die liegen nicht vor. Die Belege sind also noch nicht zwingend.

Das zweite große Problem ist natürlich das neutestamentliche Problem. Wir haben hier durch über 300 Jahre Christenverfolgung ein ganz großes Überlieferungsloch. Wir wissen aus dem Neuen Testament, das in Bethsaida Petrus geboren ist. Aber wir kennen doch sein Haus nicht! Selbst wenn wir das auffinden würden, würden wir es nicht erkennen. Das ist das große Problem für jeden Pilger, der es doch gerne sehen möchte. 

DOMRADIO.DE: Wir können archäologisch nicht belegen, dass Petrus im heutigen Kafarnaum gelebt hat?

Vieweger: Nein, das können wir nicht belegen. Es tut mir leid für viele Leute, die schon dorthin gepilgert sind und in dieser Kirche über dem Haus der Schwiegermutter des Petrus vielleicht einen Gottesdienst gefeiert haben. Ja, da ist ein Haus. Aber wissen wir, ob es das ist, in dem die Schwiegermutter des Petrus und Petrus gelebt haben? Nein, das wissen wir nicht. Das hat man im vierten Jahrhundert so festgelegt. Das könnte so sein, muss aber so nicht sein. 

DOMRADIO.DE: Ärgern Sie sich denn vor diesem Hintergrund, wenn dann immer wieder diese Sensationsmeldungen durch die Agenturen flirren? 

Vieweger: Es ärgert mich ein bisschen für die Pilger, die aus Europa kommen, nicht belogen werden wollen, sondern immer mit den Tatsachen konfrontiert werden wollen, damit sie das, was sie hören, auch glaubwürdig hören können. Und an der Glaubwürdigkeit der Archäologie oder der Archäologen liegt es, zu sagen: Um etwas positiv zu beweisen, bedarf es mehr als nur einer Idee oder einer Auslegung von ein paar Steinen. Und deshalb muss man da viel vorsichtiger sein.

Um der Archäologie Willen sollten wir nicht die Sensationen suchen, sondern vorsichtig sagen, was man wirklich weiß und hat. Wir könnten hier an einer Stelle sein, die Bethsaida ist. Mehr wissen wir einfach noch nicht. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR