Zum Glück gab es die Dozenten, die ihre Klausuren auf Weiberfastnacht legten. Zum Schrecken der Studenten. Außer solchen wir mir. Ich hatte dann einen guten Grund abzuwinken, wenn sich die anderen schon ab November ihre Kostüme nähten. Enten mit riesigen gelben Schnäbeln. Und fluffigen, gelben Federn an Kleiderungetümen, in denen jeder aussah wie dieser unförmige Bibo aus der Sesamstraße! Oh mein Gott! Nicht mit mir.
Weil… bei Karneval…. da wurde mir immer lindgrün. Übergangslos. Und übergangslos war ich dann auch immer im Schulkarneval der achten Klasse. Der Achten!
Denn das gehört zu den Szenen, die ich nun wirklich nie vergessen werde. Als ich in lindgrün die Klasse betrat. Mit einem lindgrünen Häubchen, lindgrünem Mieder und lindgrünem Reifrock. Auf der Stelle brach die Erde um mich herum weg. Ich hätte auch Aussatz haben können. So angewidert waren die Blicke. Selbst bei der Polonaise musste ich hinterherlaufen. Andererseits: sind Sie schon mal im Reifrock durch die Schule? Eben. Wär sowieso nicht gegangen.
Aber meine Freunde im Studium ließen nicht locker. Irgendwann gingen mir die Ausreden aus. So zog ich zögernd in die erste Kneipe mit ein, weniger zögernd und schon selber singend, in die zweite mit um. Aber ab der dritten Kneipe war es vollbracht. Was ich nie für möglich gehalten hätte geschah: ich war aufgehoben. Im tosenden Kneipenkarneval. Geborgen inmitten meiner liebsten Freunde und hunderten Fremden. Und mein Herz fühlte, was Karneval eigentlich ist: pure, reine Lebensfreude.
Am schönsten aber waren die Nubbel. Die Strohpuppen, die alles schuld sind und um Mitternacht vor Aschermittwoch verbrannt werden. Die waren einfach alles Schuld. Wie praktisch, einfach alles. Auch dass wir alle, nach ihrer Hinrichtung und dem endgültigen Ende des Karnevals, in die Kneipen zurück zogen.
Dabei, ich habe es genau gesehen, leuchtete er lindgrün. Der Nubbel.