Wie gehen Kinder in Südafrika in die Schule? Welche Chorkultur pflegen sie? Wie leben sie ihren Glauben? Und welche Rolle spielt im Alltag das Thema Apartheid? Das sind nur einige der Fragen, die die Sängerinnen des Mädchenchores am Kölner Dom im Vorfeld ihrer gut zweiwöchigen Reise nach Südafrika beschäftigen, zu der sie mit Domkantor Oliver Sperling und Domdechant Robert Kleine an diesem Wochenende aufbrechen. Denn aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Chores, der sein Jubiläum Mitte September mit einem Konzert und einer Festmesse im Kölner Dom begeht, soll für die Mädchen zuvor noch einmal eine große Fernreise auf dem Programm stehen.
"Natürlich geht es viel um Musik bei dieser ersten Reise der Kölner Dommusik auf den afrikanischen Kontinent", erklärt Sperling, "aber vor allem auch darum, den Jugendlichen sehr konkret zu vermitteln, was Globalisierung und weltweite Vernetzung wirklich bedeuten, und dass es eine große Chance ist, die kulturellen Dimensionen eines Landes am sprichwörtlichen Ende der Welt kennenzulernen und dort mit Gleichaltrigen in einen persönlichen Austausch zu kommen."
Konzerterlös kommt Aids-Projekt zugute
Pretoria, Port Elizabeth, Oudtshoorn, Kapstadt, Khayelitsha und Stellenbosch – das sind die Stationen, bei denen die 54 Sängerinnen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren repräsentative Eindrücke von Land und Leuten gewinnen können. Denn in diesen Städten sind Gottesdienste und Konzerte vorgesehen – auch mit Partnerchören. Zudem ist Chorleiter Sperling als Dozent gefragt: An der Universität von Stellenbosch – inmitten der Weinberge des Distrikts Cape Winelands und der bergigen Naturschutzgebiete Jonkershoek und Simonsberg gelegen – wird er nach einem "Lunch Hour Concert" mit seinen Mädchen einen Chorleitungskurs für die dort Studierenden anbieten und in Khayelitsha, eines der größten Townships Südafrikas am Stadtrand von Kapstadt, einen Workshop mit Schulchören.
"Wir tragen an einen für uns entlegenen Ort dieser Welt unsere europäische Chormusik und damit gleichzeitig die ganze Bandbreite unserer Kultur. Wir lassen die Menschen dort an unserem Glauben teilhaben, und wir engagieren uns für Charity-Projekte vor Ort", erläutert Sperling. Denn der Erlös der Konzerte kommt beispielsweise dem internationalen Aids-Projekt von Pfarrer Stefan Hippler zugute, einem deutschen Priester, der seit vielen Jahren in Kapstadt lebt und die Initiative "Hope Cape Town Trust" ins Leben gerufen hat. Schließlich gehöre auch diese Lebenswirklichkeit zu Südafrika, so Sperling. "Alle diese geplanten Begegnungen schaffen in der Summe eine unglaubliche Motivation, etwas Neues kennenzulernen, was sich mit großer Vorfreude, Neugierde und auch einer guten Portion Abenteuerlust und Spannung mischt."
Beschäftigung mit gesellschaftspolitischen Themen
Wie bei einer Chorreise auch sonst üblich bleibt aber dennoch viel Zeit für das Erkunden von Landestypischem. Ausflüge durch die landschaftlichen Weiten Südafrikas zu Nationalparks, zu einer Straußenfarm und in die Wüste hat der Reiseveranstalter ebenso zusammengestellt wie eine Safari und Fahrten zur Gebirgskette am südlichsten Punkt des Landes mit dem berühmten Tafelberg oder schließlich zum Kap der Guten Hoffnung.
Wichtige Hinweise zu den Sitten und Bräuchen der Südafrikaner, einer grundsätzlich christlichen Nation, hat im Vorfeld Martin Berger, der ehemalige Domkapellmeister von Würzburg, gegeben, der 2005 die musikalische Leitung beim Weltjugendtag in Köln hatte und 2014 dann von Franken einem Ruf nach Stellenbosch gefolgt ist, um hier an der Uni einen Studiengang für Chorleitung aufzubauen. Seitdem lebt der Kirchenmusiker in Südafrika und hat geholfen, das Reiseprogramm für die Kölner – auch unter den Aspekten einer Studienreise – zusammenzustellen. "Dazu gehört vor allem, dass wir uns mit der Geschichte und den politischen Problemen dieses Landes beschäftigen, in dem es ehemals viele ethnische Kriege und deutsche Kolonialstaaten gab und in dem bis heute 13 Landessprachen existieren. Aber auch gesellschaftliche Fragen und Bildungsthemen stehen auf der Agenda", sagt Sperling. Er freue sich auf das Wiedersehen mit dem deutschen Kollegen, den er seit vielen Jahren über den Chorverband PUERI CANTORES kennt und der für die Kölner während der Reise ein wichtiger Ansprechpartner ist.
Auftritte mit Chorliteratur aus allen Teilen Europas
Trotzdem setzt Sperling – wie immer bei solchen Fernreiseprojekten der Dommusik – vor allem auch auf die Kraft der Musik. "In allererster Linie verstehen wir uns als Kulturbotschafter: des Domes und der Stadt Köln. Dafür haben wir eine Menge Motetten, Volkslieder und auch Pop-Arrangements im Gepäck, um unseren südafrikanischen Gastgebern einen möglichst repräsentativen Querschnitt europäischer Chorliteratur nahe zu bringen." Darunter versteht der Domkantor neben geistlichen a cappella-Gesängen von Palestrina, Bach, Verdi und Mendelssohn vor allem auch das, womit sich der Mädchenchor immer wieder zusehends profiliert: mit zeitgenössischen Kompositionen von Arvo Pärt, Knut Nystedt, Ola Gjeilo, Javier Busto oder Colin Mawby. Aber natürlich sind auch klassische deutsche Volkslieder wie "Der Mond ist aufgegangen" mit eingeplant – und als besonderer Gruß aus der Rheinmetropole "Am Dom zo Kölle": für die Einheimischen in englischer Übersetzung – versteht sich.