Altbischof Wanke erinnert an 50 Jahre Gottesdienst ohne Priester

"Von Anfang an sehr gut angenommen"

Vor 50 Jahren erlaubte der Vatikan für das DDR-Gebiet Gottesdienste mit Kommunionausteilung unter Leitung von Laien. Diese wurden sehr gut angenommen, wie sich der Erfurter Altbischof Joachim Wanke im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur erinnert.

Altbischof Joachim Wanke (KNA)
Altbischof Joachim Wanke / ( KNA )

KNA: Herr Bischof Wanke, wie kam es zu der offiziellen Genehmigung aus Rom, dass eigens beauftragte "Diakonatshelfer" Wortgottesdienste mit Austeilung der Kommunion leiten durften?

Wanke: Damals wohnte ein Großteil der Katholiken vereinzelt in kleinen Dörfern, wo sie nach dem Krieg hängengeblieben waren. Es waren zumeist Vertriebene aus den ehemals deutschen Ostgebieten. Die Initiative zu der neuen Gottesdienstform sollte ihnen ermöglichen, einen Sonntagsgottesdienst zu besuchen, auch wenn kein Priester vor Ort war.

KNA: Wer stand hinter der Sonderregelung zunächst für die DDR, die in den folgenden Jahren weltweit ausgedehnt wurde? Diasporagebiete gab es doch schon vor dem Krieg und auch in anderen Regionen.

Wanke: Ohne Zweifel lag es besonders an der pastoralen Phantasie des späteren Erfurter Bischofs Hugo Aufderbeck (1909-1981). Schon als Leiter des Magdeburger Seelsorgeamtes nahm er die späteren Einsichten des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) vorweg, das die Gegenwart Christi auch in seinem Wort neu entdeckte. Ein weiteres wichtiges Motiv für ihn war zudem, dass sich die Gemeinde am Sonntag regelmäßig zum Gottesdienst versammelt.

KNA: Inwieweit war Aufderbeck durch Vorbilder etwa aus Missionsgebieten inspiriert? Auch dort gab es bereits Gottesdienste, die von Laien geleitet wurden.

Wanke: Er hat sich sehr intensiv mit der Seelsorge der Franziskaner beschäftigt, die unter osmanischer Herrschaft auf dem Balkan stattfand. Es hat ihn sehr fasziniert, wie sie auch mit Wortgottesdiensten gearbeitet haben. Ein weiterer Impuls war die Praxis von Bischof Konrad Martin, den die Preußen 1875 aus Paderborn vertrieben. In der Zeit von Bismarcks Kulturkampf, als viele Gemeinden im Eichsfeld ohne Priester blieben, bestärkte Martin in pastoralen Anweisungen die Gläubigen, auch ohne ihre Seelsorger gemeinsam Gottesdienste zu feiern. Eine ähnliche Notsituation sah Aufderbeck in unserer Diaspora im Osten.

KNA: Welche Erfahrungen haben Sie als Bischof mit solchen Wort-Gottes-Feiern gemacht?

Wanke: Sie wurden von Anfang an sehr gut angenommen, wenn man sorgfältig darauf achtete, dass in der Gemeinde anerkannte Persönlichkeiten, am Anfang weithin Männer, zur Leitung beauftragt waren.

KNA: Was sagen Sie zu dem Einwand, dass das Angebot eines solchen Gottesdienstes manche veranlassen kann, eine weiter entfernte Eucharistiefeier nicht zu besuchen?

Wanke: Ein Katholik ist dazu verpflichtet, die Sonntagsmesse zu feiern, wenn immer es möglich ist. Wo eine persönliche Teilnahme daran nicht möglich ist, muss man sehr pragmatisch und mit Augenmaß vorgehen. Wort-Gottes-Feiern können dann vor allem älteren Menschen zugute kommen, die nicht mehr in der Lage sind, weite Strecken zurückzulegen. Familien mit Kindern habe ich immer ermutigt, den Anschluss an die nächste große Gemeinde zu suchen.

KNA: Es werden immer mehr Pfarreien zu größeren pastoralen Einheiten zusammengelegt, auch wegen des Priestermangels. Welche Rolle können dort die Wort-Gottes-Feiern spielen?

Wanke: Wenn man das Bild vom Netz mit verschiedenen Knoten nimmt, dann werden nicht nur die Orte, an denen Eucharistie gefeiert wird, Bedeutung haben, sondern auch die, an denen sich Menschen auch zu anderen Formen des Gottesdienstes versammeln. Insofern ist diese Weitung der liturgischen Praxis auch eine Bereicherung. 

Das Interview führte Gregor Krumpholz.


Quelle:
KNA