Am Morgen vor den Bischöfen Asiens hatte der Papst noch davon gesprochen, dass es bei der Mission der Kirche "gerade der Heilige Geist ist, der als erster vorangeht". An dem Satz muss etwas dran sein: Wie zum Beweis segelt am Abend, kurz bevor Franziskus in Bangkoks Kathedrale eine Messe mit Jugendlichen feiert, eine Taube durchs Portal und lässt sich im Altarraum nieder.
In früheren Jahrhunderten hätte ein solches Zeichen von oben für die spontane Akklamation eines Bischofs gereicht. Die quasi perfekte Organisation der Papstvisite bringt der Vogel indes nicht durcheinander.
Von wegen schweigsame Asiaten
Nun ja - nicht alles ist perfekt. Wie bei der Stadionmesse am Vorabend versagt erneut das Mikrofon, als der Papst die Feier eröffnen will. Diesmal muss es sogar ausgetauscht werden. Ansonsten stimmt die Akustik. Nicht nur der Chor, alle in der Kirche wie draußen vor und hinter der Kathedrale stimmen aus vollen Kehlen in die Lieder ein. Von wegen schweigsame Asiaten.
Satt wie der Gesang sind die kräftigen Farben der Messgewänder. Das seidenglänzende Goldgelb des Vorabends ist zum Fest der Märtyrerin Cäcilia durch ein leuchtendes Zinnoberrot ersetzt. Es sind nicht nur die Trachten von Volksgruppen wie der Karen aus dem Norden des Landes, die die Buntheit der katholischen Weltkirche an diesem Tag zum Ausdruck bringen. Eine solche fordert Franziskus ausdrücklich ein.
Gegen das Image einer "Religion der Ausländer"
Gleich am Morgen am Gedenkort für Thailands ersten Märtyrer, den 1944 an den Folgen seiner Haft gestorbenen Katecheten und Priester Nicolas Bunkerd Kitbamrung, wirbt der Papst für ein Christentum lokaler Prägung mit eigenem Selbstbewusstsein. Er setzt damit das Thema Inkulturation fort, das vor gut vier Wochen die Amazonas-Synode im Vatikan prägte. Um dem Image einer "Religion der Ausländer" entgegenzutreten, müsse der christliche Glaube "ein thailändisches Gesicht und thailändische Gestalt" bekommen, fordert der Papst vor Klerikern, Ordensleuten und Laienmitarbeitern.
Es folgen Sätze, die Bewahrer einer vermeintlich rein römisch-europäischen Gestalt Schlimmes befürchten lassen könnten. Das Evangelium müsse "seine guten, aber ausländischen Kleider" ablegen. Es gelte, "nach neuen Symbolen und Bildern zu suchen", um andere für den Glauben zu interessieren. Hehre Ansprüche, wenn man in die Geschichte christlicher Mission in Thailand schaut.
Menschenwürde, wo andere "nur Verachtung" sehen
Viele seien aus pragmatischen Gründen Christen geworden, meinte unlängst der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Bangkok, Jörg Dunsbach, gegenüber Vatican News. Es habe durchaus Dörfer und ethnische Gruppen gegeben, die sich fürs Christentum entschieden, weil die Katholiken gute Krankenhäuser und die Protestanten gute Schulen bauten.
Erneut bestärkt Franziskus auch den Einsatz für Ausgegrenzte und für Opfer von Sextourismus. Viele Kirchenmitarbeiter sähen auch dort Menschenwürde und Schönheit, wo andere "nur Verachtung, Verlassenheit oder ein Objekt sexueller Befriedigung sehen". Und noch ein Satz, der nicht nur Franziskus' Zuhörern in Asien gilt: "Wie viel wir doch von euch lernen müssen, die ihr in vielen eurer Länder oder Regionen Minderheiten seid, und euch dabei nicht von Minderwertigkeitskomplexen oder Geltungsbedürfnis mitreißen oder vergiften lasst."
Nachmittags beim interreligiösen Treffen in der traditionsreichen Chulalongkorn-Universität kommt es zu einer Premiere: Ein gemischter Chor von christlichen Jugendlichen aus den Volksgruppen im Norden Thailands sowie muslimischen aus dem Süden singt unter anderem das Friedensgebet des Franz von Assisi. Für Thailand, in dem ethnische Minderheiten um Achtung ringen und der Süden unter blutigen Konflikten leidet, eine bedeutsame Geste.
Durch Kleidung farblich markiert
Die Aula der Uni gleicht einem Parlament, in dem die religiösen Fraktionen auch durch ihre Kleidung farblich markiert sind: safrangelbe Buddhisten, weiße Hindus, beige Muslime, die Turbane der Sikhs sowie Talare und Stolen der Christen. Gegenseitige Anerkennung sowie Zusammenarbeit unter den Religionen seien "für die heutige Menschheit dringender denn je", fordert Franziskus.
Protektionistischem Denken erteilt der Papst eine Absage: Die Zeiten seien vorbei, in denen Abschottung zur Lösung von Konflikten dienen konnte. Stattdessen plädiert er für den Aufbau einer neuen Dialogkultur und lädt die Religionsgemeinschaften ein, Foren zu bilden. Es gelte, für Menschenwürde und das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit einzutreten. Kulturelle Verschiedenheit und Eigenarten, so ein Fazit des Tages, sind kein Selbstzweck.