Amnesty fordert mehr Sicherheit für Flüchtlingsheime

Institutioneller Rassismus?

Rassistische Straftaten werden von der Polizei offenbar nicht immer als solche erkannt. Amnesty fordert deshalb mehr Sensibilität von den Behörden. Menschenrechtler halten auch bundesweite Sicherheitsstandards für Flüchtlingsheime für dringend nötig.

Polizei vor einer Flüchtlingsunterkunft / © Uli Deck (dpa)
Polizei vor einer Flüchtlingsunterkunft / © Uli Deck ( dpa )

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht bei deutschen Behörden Anzeichen für institutionellen Rassismus. Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass deutsche Behörden ein Problem haben, "alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft", sagte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Caliskan, am Donnerstag in Berlin. Zugleich forderte sie angesichts der stark gestiegenen Zahl von Straftaten gegen Asylsuchende bundesweit verbindliche Sicherheitsstandards zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften.

In dem von Caliskan präsentierten Amnesty-Bericht "Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt" sind mehrere Fälle dokumentiert, in denen Polizisten offenbar nicht erkannten, dass sie es mit einem Opfer rassistischer Gewalt zu tun haben. Rassistische Taten würden häufig als bloße Gewaltdelikte erfasst, zudem seien die Behörden oft nicht ausreichend für Rassismus sensibilisiert, hieß es. Das System zur statistischen Erfassung politisch motivierter Kriminalität (PMK) hält Amnesty für unzureichend und zu intransparent, "um das gesamte Ausmaß rassistischer Gewalt differenziert zu erfassen und zu dokumentieren".

Keine einheitlichen Standards

Amnesty kritisierte auch das Fehlen von einheitlichen Standards zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften. In vielen Bundesländern würden spezielle Sicherheitspläne lediglich auf regionaler Fallbasis erstellt. Notwendig sei stattdessen ein bundesweites Schutzkonzept, das von der Innenministerkonferenz erarbeitet werden müsste, forderte Caliskan. Konkret sollten Länder und Kommunen in die Pflicht genommen werden, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wo neue Flüchtlingsheime entstehen und wann in die Unterkünfte Asylsuchende einziehen. Ebenso sollte für alle Mitarbeiter von privaten Sicherheitsdiensten, die für den Schutz von Flüchtlingsheimen engagiert werden, ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegen.

Caliskan sprach sich auf regionaler Ebene für die Einrichtung von Runden Tischen zur Flüchtlingsintegration aus. Neben Behörden und Flüchtlingshelfern sollten auch Migrantenorganisationen daran teilnehmen. Hier müssten unter anderem Risikoanalysen vor Ort zur Sprache kommen.

Unabhängige Prüfer nötig

Von der Bundesregierung fordert die Menschenrechtsorganisation, Fälle von möglichem institutionellen Rassismus bei Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei, durch eine unabhängige Institution untersuchen zu lassen. Es gehe um die Frage, inwieweit dadurch Ermittlungen bei rassistischen Straftaten behindert werden, erklärte Amnesty International vor dem Hintergrund des Vorgehens der Behörden bei der Aufklärung der rechtsterroristischen NSU-Morde.

Nach der Selbstenttarnung der rechtsextremen Terror-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" wurde 2012 das Ausmaß einer elfjährigen Anschlags- und Mordserie öffentlich. Eine schnelle Aufklärung sei aber nicht zuletzt wegen rassistischer Vorurteile der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Angehörigen der Opfer über Jahre hinweg immer wieder gescheitert, betonte Amnesty. Bis heute hätten die deutschen Strafverfolgungsbehörden "aus ihrem Versagen beim NSU-Komplex wenig gelernt", so Caliskan.


Quelle:
epd