Amnesty International feiert seinen 50. Geburtstag

Von Schmuddelkindern zu Politikberatern

Die größte Menschenrechtsorganisation der Welt feiert ihren 50. Geburtstag. Aus einer Hilfsorganisation, die sich für einzelne politische Gefangene einsetzte, hat sich Amnesty International zu einer starken politischen Lobby mit weltweitem Aktionsradius entwickelt. Amnesty Deutschland beging das Jubiläum mit einem Festakt in Berlin.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Ein Zeitungsartikel im "Observer" führte zur Gründung von Amnesty

Es war ein Zeitungsartikel, der am 28. Mai 1961 zur Gründung von Amnesty führte: "Schlagen Sie Ihre Zeitung an irgendeinem beliebigen Tag auf, und Sie werden eine Meldung aus irgendeinem Teil der Welt lesen: Ein Mensch ist eingekerkert, gefoltert, hingerichtet worden, weil seine Ansichten oder religiösen Überzeugungen nicht mit denen der Regierung übereinstimmen", so schrieb der 39-jährige Anwalt Peter Benenson in der britischen Zeitung "The Observer". Benenson forderte die Leser auf, mit Briefen Druck auf die Regierungen zu machen und von ihnen die Freilassung politischer Gefangener zu fordern. 30 große Zeitungen weltweit druckten den Artikel nach.



Allein in den ersten Wochen melden sich mehr als Tausend Mitstreiter. Im Juli 1961 wurde beschlossen, die zunächst auf ein Jahr angelegte internationale Kampagne in eine feste Organisation zu verwandeln. Kein Zweifel: Die Idee der Menschenrechte hat nicht zuletzt Dank Amnesty Konjunktur. Internationaler Menschenrechtsgerichtshof, UNO-Weltkonferenzen sowie auf deutscher Ebene ein Menschenrechtsausschuss im Bundestag und ein Menschenrechtsbeauftragter im Auswärtigen Amt: Die Politik hat die Menschenrechtsthematik aufgenommen.



Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace oder Amnesty haben zudem als Organisationen der Zivilgesellschaft erheblichen Einfluss gewonnen. Kein Zufall, dass der "Spiegel" 1995 unter dem Titel "Politik von unten: Greenpeace, Amnesty und Co - Die Macht der Mutigen" die Nichtregierungsorganisationen zur dritten Kraft zwischen Regierungen und Wirtschaftsunternehmen erklärte. Aus den Schmuddelkindern von gestern sind die Politikberater von heute geworden.



Ex-Amnesty-Generalsekretär warnt vor Selbstzufriedenheit

Dennoch: Volkmar Deile, der von 1990 bis 1999 Amnesty-Generalsekretär in Deutschland war, warnt vor Selbstzufriedenheit. Der Grundkonflikt zwischen Politik und Menschenrechtsinitiativen lasse sich nicht auflösen: Die Politik werde immer auch andere Interessen berücksichtigen, wie sich am Umgang der Europäer mit den Regimes etwa in Nordafrika zeige.



Über drei Millionen Mitglieder und Unterstützer in mehr als 150 Ländern: Diese breite Verankerung im ehrenamtlichen Engagement ist Stärke und Schwäche zugleich. Sie sorgt für ein weites Netz an Informanten und für finanzielle Unabhängigkeit. Damit unterscheidet sich Amnesty von anderen Menschenrechtsorganisationen, die sich stark professionalisiert haben. Die Kehrseite: Es dauert länger, bis Kampagnen auch in die letzte Ortsgruppe dringen.



Seit 1973 kämpft Amnesty für die Abschaffung der Todesstrafe

Die Aufgaben hat Amnesty beständig erweitert - zusätzlich zu den Aktionen um die Freilassung gewaltloser politischer Gefangener. Seit 1973 kämpft Amnesty International für die Abschaffung der Todesstrafe. Seit 1985 ist der Flüchtlingsschutz Arbeitsschwerpunkt. Und nach dem Ende des Kalten Krieges entwickelte sich der Kampf gegen die Straflosigkeit zu einer Aufgabe. Seit 2003 setzt sich die Organisation zunehmend auch mit den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten auseinander. Ein Thema, bei dem Amnesty kritisch begutachtet wird - stellt die Organisation doch das westliche Wirtschaftsmodell in Frage. Unparteilichkeit muss Amnesty auch angesichts des islamistischen Terrors beweisen: Dass Amnesty Menschenrechtsverletzungen im "War on terror" anprangert, hat ihr scharfe Kritik eingetragen.



Mit der katholischen Kirche ist Amnesty besonders bei der Interpretation von Frauenrechten aneinandergeraten. 2007 hat sich die Internationale Amnesty-Ratstagung dafür ausgesprochen, Abtreibungen von jeder Strafe freizustellen. Darüber hinaus forderte das höchste Amnesty-Gremium einen freien Zugang von Frauen zu medizinischen Leistungen nach Abtreibungen. Der Vatikan und Bischöfe drohten mit dem Entzug der Unterstützung.