DOMRADIO.DE: Angela Merkel geht mit eigenen Worten optimistisch in die Koalition. Und das, obwohl die GroKo ja nur eine Notlösung ist. Ist Optimismus da angebracht?
Volker Resing (Chefredakteur der "Herder Korrespondenz" und Biograf von Angela Merkel): Die Kanzlerin sieht das, glaube ich, eher pragmatisch. Die lange Zeit der Vorbereitung führt jetzt dazu, dass ein relativ detaillierter Koalitionsvertrag vorliegt und ich glaube, sie ist deswegen optimistisch, weil die beiden Partner sehr genau geschaut haben, was sie denn zusammen hinbekommen. Es sieht so aus, dass alle mit einer stabilen Koalition rechnen. Nicht nur die Kanzlerin, auch die Deutschen mögen Stabilität und selbst die Kritiker in der Fraktion sagen, wahrscheinlich hält die Koalition auch die vier Jahre. Also, da ist aus Sicht der Kanzlerin Optimismus angebracht.
DOMRADIO.DE: Wenn sie bis zum Ende der Legislaturperiode durchmacht, zieht sie mit Kohl gleich als längste Regierungschefin. Das ist ein Thema, das man auch in anderen Ländern diskutiert. China hat gerade Xi Jinping mit einer möglichen Amtszeit auf Lebenszeit bestätigt. Auch in den USA wird diskutiert. Sind eine so lange Zeit wie 16 Jahre Kanzlerschaft eine gute Idee?
Resing: Den Vergleich zu China muss man völlig abwehren. China ist eine autoritäre Herrschaft ohne demokratische Legitimation. Das Schauspiel, das uns da mit dem Volkskongress geboten wird, können wir wirklich nicht mit unserer Vorstellung von Demokratie vergleichen. Die Amerikaner haben eine Amtszeitbegrenzung von zwei Perioden, das liegt daran, dass der Präsident dort eine viel umfassendere Machtfülle hat, als das bei der Bundeskanzlerin der Fall ist. Das vergisst man manchmal, dass sie in der Koalition auf die anderen angewiesen ist. Ich bin etwas skeptisch mit der Amtszeitbegrenzung, weil man ja nicht weiß, ob man jemand besseren bekommt und ob man sich leisten kann, ständig neue Kanzler zu bekommen. Sicher kann man mal nach Italien schauen, wie da das politische Personal regelmäßig gehäckselt wird – das kann auch kein Vorbild sein. Nichtsdestotrotz sind 16 Jahre sehr lang und man sieht natürlich auch Ermüdungserscheinungen. Insofern ist der Souverän, das Volk, gefragt, der in Wahlen entscheiden und Signale geben muss, wenn er einen Regierungswechsel will.
DOMRADIO.DE: Wir haben jetzt eine Regierung mit vielen engagierten Christen. Wie wird sich das auf die Regierungsarbeit auswirken?
Resing: Mit dem Einfluss der Christen in der Politik ist das eine schwierige Sache. Da ist das persönliche, private Bekenntnis noch keine Garantie, dass irgendwelche Positionen sich durchsetzen. Man muss auch immer wieder sagen, dass der christliche Glaube und das Bekenntnis nicht zwangläufig zu eindeutigen Lösungen führen. Ich kann nur davor warnen, dem einen oder am anderen das Christentum abzusprechen, wenn er denn nicht genau das tut, was man selbst für richtig hält. Aber man muss tatsächlich konstatieren, dass wir eine starke Präsenz von engagierten Christen in der Bundesregierung haben. Das spiegelt nicht immer die gesellschaftliche Entwicklung wieder und dem muss man sich auch klar stellen. Beim Lebensschutz haben wir das jetzt ja gerade erlebt. Da ist der Koalitionsfrieden beim Thema Abtreibungsverbot noch gesichert worden, aber das war ganz knapp.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.