Anglikaner ringen um Einsetzung von Bischöfinnen

Zur zentralen Streitfrage

Wenn die Generalsynode der anglikanischen Staatskirche von England ihre Beratungen aufnimmt, stehen reichlich Themen auf der Agenda: weltweite Mission, christliche Schulen, die Rolle in politischen Konflikten. Doch nur eines hat - außer der Verabschiedung des Erzbischofs von Canterbury - echtes Zeug zur Schlagzeile.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Die Tagesordnung der Synode sieht dafür den Montag vor. Nach Gottesdienst und Morgengebet begann an diesem Freitag (06.07.2012) um 9.45 Uhr in York das "Gesetzgebende Geschäft": Frauen im Episkopat. Was so nüchtern klingt, ist tatsächlich seit rund Jahrzehnten eine der zentralen Streitfragen im Anglikanismus. Als man sich 1992 in der englischen Mutterkirche sowie in mehreren Nationalkirchen zur Freigabe des Frauenpriestertums entschloss, führte das die anglikanische Weltgemeinschaft an den Rand der Spaltung. In der Generalsynode hatte der Beschluss damals eine hauchdünne Mehrheit. Hätten nur drei Delegierte im "Haus" der Laien - einem der drei Abstimmungsgremien neben Bischöfen und Geistlichkeit - anders votiert, wäre er gescheitert.



Nun, 20 Jahre später, sind die Verästelungen all der Bedingungen, Kompromisse, Zusatzvereinbarungen und Hintertüren, die die Weihe von Bischöfinnen möglich machen sollen, noch ungleich unübersichtlicher geworden. Nicht nur, dass traditionalistische Pfarreien, die eine Pfarrerin oder Bischöfin ablehnen, Anspruch auf Seelsorge durch einen männlichen Pfarrer oder Bischof haben sollen - was in der Praxis schwer genug zu realisieren sein dürfte. Gemäß einem Änderungsantrag der Bischöfe vom Mai soll dieser Pfarrer oder sogenannte Fliegende Bischof überdies auch die negativen Ansichten der Gemeinde über das Frauenpriestertum teilen müssen.



Disziplinarische Doppelmoral?

Dagegen haben 17 hochrangige weibliche Geistliche offiziell protestiert; sie rufen zu einer Ablehnung des Änderungsantrags auf. "Co-ordinate jurisdiction" - geteilte Zuständigkeit - so heißt jene Formel, die den Gegnern von Frauen im Bischofsamt ein Ja erleichtern und so die Kircheneinheit erhalten soll. Für die Frauen bedeute das ohnehin nur eine "Weihe zweiter Klasse", schimpfen liberale Lobbygruppen. Und den Konservativen bleibt die Einrichtung von Bischöfinnen ohnehin eine Zumutung, egal wie weit die Zugeständnisse gehen.



Selbst wenn nun das Konstrukt der "geteilten Zuständigkeit" angenommen würde - was sind "traditionalistische Pfarreien"? Und im Gegensatz wozu? Zu "normalen" Pfarreien? Wie wird das christliche Zusammenleben dauerhaft funktionieren, wenn sich Gemeinden per Mehrheitsbeschluss für frauen- oder schwulenfreundlich oder -feindlich aussprechen? Zudem würden, so befürchten Beobachter, solche Kompromissformeln von den Gläubigen als eine disziplinarische Doppelmoral ausgelegt - und die Glaubwürdigkeit in anderen, zentraleren theologischen Fragen untergraben.



Der Vatikan schaut genau hin

Der Abstimmungsmodus in der Generalsynode ist überaus kompliziert. Alle drei "Häuser" - Bischöfe, Kleriker und Laien - müssten am Montag jeweils eine Zweidrittelmehrheit aufbringen. Zuvor muss die Vorlage schon mit einfacher Mehrheit die Delegiertenversammlungen der beiden Kirchenprovinzen Canterbury und York passieren. Jedes Verfehlen dieser Mehrheiten würde das Aus für Bischöfinnen bedeuten.



Nicht nur der Vatikan mit seinen Ökumene-Fachleuten, die in Bischöfinnen ein dauerhaftes Hindernis einer möglichen Kircheneinheit sehen, wird am Montag genau hinschauen. Die Debatte dürfte auch ein Schaulaufen für die Bewerber um die Nachfolge von Rowan Williams in Canterbury werden. Es war das Fatum dieses hochgebildeten Mannes, Zeit seiner Amtszeit an seinem Einsatz für die Weihe von Frauen und Homosexuellen gemessen zu werden. Seinem Nachfolger als Primas und geistliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche könnte Ähnliches drohen. Jede Positionierung von Kandidaten in diesen Fragen wird am Ende selbst ein Thema sein in York.