Anglikanische Kirche beginnt Krisengespräche - Vatikan sieht "ernste Herausforderungen"

Kritische Note

Nach dreitägiger Klausur haben die im englischen Canterbury versammelten anglikanischen Bischöfe aus aller Welt auf der Lambeth-Konferenz mit den Krisengesprächen über die Zukunft ihrer Kirche begonnen. Den Auftakt der zweiwöchigen Arbeitssitzung bildete am Sonntag ein feierlicher Gottesdienst in der Kathedrale von Canterbury. Die Kirchengemeinschaft wird derzeit von einem Streit über die Weihe von Frauen und von Homosexuellen zu Bischöfen erschüttert.

 (DR)

«Die Probleme sollen offen und konstruktiv angesprochen werden», sagte der Medienbeauftragte der Lambeth-Konferenz, der australische Erzbischof Phillip Aspinall. Ziel sei es, in kleinen Arbeitsgruppen die verschiedenen Konfliktfelder zu definieren und einzukreisen. Um besonders kritische Fragen wie die der menschlichen Sexualität werde es insbesondere gegen Ende der Konferenz gehen. Grundsätzlich seien «die Chancen, Konflikte zu vermeiden, angesichts von 650 Teilnehmern eher minimal», sagte Aspinall.

"Historische Verantwortung"
An dem Gottesdienst nahmen auch Vertreter nicht-anglikanischer Kirchen teil. Zahlreiche hohe Würdenträger der weltweiten Ökumene schickten zudem Grußworte, die zum Teil auch kritische Elemente enthielten. Der Vatikan etwa sprach sich in einem Schreiben indirekt gegen die Ordination von Frauen und Homosexuellen aus.

Die Beziehungen zwischen der katholischen und der anglikanischen Kirche seien derzeit von «ernsten Herausforderungen» geprägt, erklärte der Staatssekretär des Heiligen Stuhls, Kardinal Tarcisio Bertone. Der Vatikan betonte jedoch, dass er am Dialog und am Ziel der Einigung der Kirchen festhalten wolle.

Der russisch-orthodoxe Patriarch Alexij II. schrieb, die Teilnehmer der Lambeth-Konferenz trügen eine «historische Verantwortung». Die Entscheidungen der Weltkonferenz hätten Konsequenzen für die gesamte Christenheit und für das Verhältnis der Kirchen untereinander. Der Ökumenische Rat der Kirchen rief die Anglikaner zur Geschlossenheit auf. Eine starke Gemeinschaft könne es auch ohne perfekte Übereinstimmung geben, erklärte Generalsekretär Samuel Kobia.

Flucht nach Rom?
Der Vatikan spielt beim Streit in der Anglikanischen Kirche eine besondere Rolle. Zahlreiche Geistliche der anglikanischen Kirche von England haben gedroht, zum Katholizismus überzutreten.

Die Flucht der Anglikaner nach Rom sei eine «delikate Angelegenheit» für den Vatikan, der die Einheit der anglikanischen Kirche nicht gefährden wolle, wird der Theologe Keith Pecklers von der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom zitiert. Als Zeichen der Solidarität mit dem Ehrenprimas der anglikanischen Weltgemeinschaft, Rowan Williams, hat Papst Benedikt XVI. eine Delegation nach Canterbury entsandt. Ihr gehören sowohl der vatikanische «Ökumene-Minister» Kardinal Walter Kasper als auch Kardinal Cormac Murphy-O'Connor von Westminster als Oberhaupt der Katholiken in England und Wales an.

Der Vatikan wolle keine Gläubigen «abwerben», zitiert der «Guardian» eine Quelle aus dem Vatikan. Allerdings glaube man auch nicht, dass einzelne Konvertiten abgelehnt würden.

Boykott von 250 Bischöfen
Die anglikanische Kirche ist nach der katholischen und der orthodoxen die drittgrößte christliche Kirche. Für Kontroversen sorgt unter anderem die Entscheidung der englischen Generalsynode vom 7. Juli, künftig Frauen in Bischofsämtern zuzulassen. Auch die Ordination des homosexuellen US-Bischofs Gene Robinson im Jahr 2003 ist umstritten.
Die Lambeth-Konferenz, die nur alle zehn Jahre stattfindet, wird deshalb von rund 250 konservativen Bischöfen unter anderem aus Afrika boykottiert.