Programmtipp: Dreikönigsoratorium live am Donnerstag ab 20 Uhr
DOMRADIO.DE: Frau Schudt, einem breiten Publikum sind Sie vor allem als Ermittlerin im Dortmunder Tatort bekannt, was in der Wahrnehmung Ihre vielen anderen teils mit Preisen ausgezeichneten Fernsehfilme oft überlagert. Nun wirken Sie bei einem für Sie sicher ungewöhnlichen Projekt mit und geben die Sprecherin in einem spirituellen Musikstück, im Dreikönigsoratorium von Helge Burggrabe. Was hat Sie daran gereizt?
Anna Schudt (Schauspielerin): Rezitationen übernehme ich immer mal wieder, aber nicht in dieser Größenordnung wie jetzt im Kölner Dom. Ich liebe das, wenn sich meine Stimme in den Chor so vieler anderer Stimmen einfügt, gewissermaßen von außen dazukommt und sich dann alle zu einem großen Ganzen miteinander verbinden. Dass ich bei diesem Oratorium mitmache, war keiner Überlegung wert. Da habe ich sofort „Ja“ gerufen. Ich war am Bodensee auf einem Musikgymnasium, habe früher sogar im Kirchenchor gesungen und spiele seit einiger Zeit wieder leidenschaftlich gerne Cello. Also, ich liebe Musik, weil man da erlebt, dass sich etwas zusammenfügt. Mitunter wird die Musik selbst zu einer Kathedrale wie jetzt bei diesem Oratorium, was mich unglaublich begeistert. Noch bin ich allerdings gespannt, wie sich am Ende alles in diesen Raum fügt. Schließlich erschafft man mit einer solchen Komposition eine ganze Welt. Und ich freue mich wie ein Schneekönig, dass ich da mit dabei sein darf.
DOMRADIO.DE: Wie bereiten Sie sich auf einen solchen Auftritt vor? Wie kann man sich die Auseinandersetzung mit den Texten sehr unterschiedlicher Autoren vorstellen, die sich letztlich aber ja alle irgendwie mit den Heiligen Drei Königen beschäftigen?
Schudt: Die Texte von Augustinus, Karl Rahner, Nelly Sachs, Rainer Maria Rilke oder Marie-Luise Kaschnitz sind ja von ganz unterschiedlicher Natur. Manche sind mir näher, andere weniger. Die dann im Kontext von Musik zu entdecken ist ausgesprochen spannend, zumal Helge Burggrabe sie für seine Komposition auch sehr gezielt ausgewählt hat. Natürlich beschäftige ich mich zunächst mit dem Inhalt, einer möglichen Diktion – es sind ja Gedichte – und ihrer Interpretation, für die es einen besonderen Rahmen gibt. Das versuche ich zunächst, trocken zu machen. Wie sich der gesprochene Text aber dann zu einer Einheit mit der Musik gestalten lässt, erlebe ich erst unmittelbar in dem Moment, in dem die Musik auch erklingt. Dann aber hat das etwas Zwingendes. Das muss man eben fühlen – wie zum Beispiel beim Kaschnitz-Text, der für mich der hellste ist in dem Sinne, dass er viel offen lässt, hoffnungsfroh ist. Trotzdem liegen mir alle diese Texte, in denen es viel um Wanderung und Wandlung geht. Ich achte genau darauf, wie ich in die Musik reinkomme, ihren Rhythmus aufnehme, damit aus Klang und Wort eine Einheit wird. Erst wenn ich die Musik höre, weiß ich, wohin genau ich das Wort setzen muss. Es geht ja um ein Musikstück, nicht um ein Sprechstück.
DOMRADIO.DE: Sie leben in Düsseldorf, da ist der Weg nach Köln nicht weit. Aber ein künstlerischer Auftritt im Dom stand dennoch vermutlich nicht absehbar auf Ihrer Agenda, hätte es da nicht diese Einladung von Helge Burggrabe gegeben. Können Sie das Gefühl beschreiben, wie Sie diese Kathedrale wahrnehmen?
Schudt: Ich freue mich total auf diesen ganz besonderen Raum. Als normaler Besucher erlebe ich jedes Mal, wie er mich umfängt. Ich habe ja oft in Köln zu tun und wenn möglich führt mich dabei mein Weg eben auch immer mal wieder in den Dom. Manchmal erlebe ich ihn lichtdurchflutet und weit, dann aber auch düster und von außen wie ein dunkles Ungetüm. Das wechselt. Nun aber geht es um eine ganz andere Begegnung: Jetzt füllen wir diese Kathedrale. Jetzt wirke ich daran mit, wie diese Kirche mit Energie angereichert wird. An so etwas teilzuhaben ist sehr selten und macht mich ausgesprochen glücklich.
DOMRADIO:DE: Reagieren Sie denn auch religiös oder spirituell auf dieses Gotteshaus?
Schudt: Ich bin ein gläubiger Mensch, aber nicht in Jesus oder Gott verankert. Trotzdem halte ich viel davon, dass einen etwas gütig begleitet. Musik – wenn sie mich berührt – ist immer eine Form von Gebet, was übergeordnet ist. Deshalb ist für mich auch nicht vordergründig wichtig, einen wissenstheoretischen Hintergrund zu haben, sondern von Worten oder Musik tief im Herzen – oder sagen wir in der Seele – berührt zu werden.
DOMRADIO.DE: Sie stehen bei Ihrem Auftritt als Sprecherin – so suggeriert es die Optik – mitten auf dem Vierungsaltar. In Wirklichkeit aber ist Ihr Platz unmittelbar hinter dem Altar und natürlich auf einem Podest. Trotzdem ist das im Dom die zentrale Stelle. Was macht das mit Ihnen? Spüren Sie da eine besondere Verantwortung?
Schudt: Meinen Rollen gegenüber empfinde ich eine große Verantwortung – und den Menschen gegenüber, die ich darin verkörpere. Hier hingegen reihe ich mich eher in ein großes Werk mit so vielen Stimmen ein, die als Orchester und Chor nicht ohne einander können, aufeinander angewiesen sind. Die Gemeinschaft muss funktionieren. Jeder sehnt sich doch danach, nicht allein zu sein, sondern die Stimme eines anderen zu hören, ohne dass gleich mitschwingt, wo der eigene Benefit dabei für einen herausspringt. Diese Sehnsucht nach einer intakten Gemeinschaft ist für mich vorherrschend und lässt sich ja irgendwie auch auf diese Komposition übertragen. Man muss bei diesem Stück einer bestimmten Dynamik folgen. Und die muss ich unterstützen. So verstanden habe ich in der Tat Verantwortung – und selbstverständlich auch in dem Sinne, dass ich natürlich die Menschen erreichen will.
Der Kölner Dom wird wie geflutet mit diesem Dreikönigsoratorium. Ich würde mich wundern, wenn nicht jeder einzelne Zuhörer mit einem Nachvibrieren nach Hause gehen wird.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti.
Programmtipp: Dreikönigsoratorium live am Donnerstag ab 20 Uhr