Anselm Grüns neuestes Buch beschäftigt sich mit dem Staunen

"Staunen ist der Anfang jeder Philosophie"

Beim Blättern in Anselm Grüns Buch über das Staunen wird sogar die Alltagsbeschäftigung Bügeln zum Gedankengegenstand. Mönch und Meditationslehrer Anselm Grün erklärt warum.

Besucher des Kölner Doms bestaunen das Deckengewölbe / © Tjalke Weber (KNA)
Besucher des Kölner Doms bestaunen das Deckengewölbe / © Tjalke Weber ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was hat Bügeln in einem Buch zum Staunen zu suchen?

Anselm Grün (Mönch & Meditationslehrer): Es geht darum, alle Dinge die wir tun – selbst die ganz einfachen alltäglichen Dinge – achtsam zu tun. Und dann können wir immer wieder staunen, wenn wir ganz bei den Dingen sind, wie diese sich auch manchmal verwandeln. Wie zum Beispiel das Bügeln zur Erholung werden kann. Dass ich einfach ganz aufgehe, in dem, was ich tue. Vielleicht gehe ich in Gedanken meinen Träumen nach und auf einmal bin ich dann ganz bei mir und auf einmal habe ich Lust daran.

DOMRADIO.DE: Wie kann ich mir das Bügeln schmackhaft machen?

Anselm Grün: Gut, meine Schwester macht es sich schmackhaft, indem sie beim Bügeln noch eine Kassette hört und sich freut. Jetzt habe ich Zeit zu bügeln und kann nebenbei etwas Sinnvolles hören, das ist eine Möglichkeit. Oder ich bin einfach still und sage, ich muss jetzt gar nichts tun, nichts leisten, sondern einfach nur bügeln. Das macht die Hemden schöner und ich freue mich dann an der eigenen Schönheit. Also ich brauche einfach positive Gedanken und ich muss ganz im Augenblick sein.

DOMRADIO.DE: Ist alles, was einfach ist und wiederholt werden kann, schon so eine Art Meditation?

Anselm Grün: Ja, es gibt ein Wort von Graf Dürckheim, dem Therapeuten und Zen-Meister: "Alles was einfach ist, kann auch zur Meditation werden."

DOMRADIO.DE: Geht es Ihnen in Ihrem Buch über das Staunen darum, dass die Leser wieder mehr Sinn finden in Ihrem Alltag?

Anselm Grün: Ja, dass sie nicht meinen, spirituell sei man nur, wenn man möglichst viel Zeit hat und Exerzitien macht. Nein, sondern auch, wenn man die Dinge, die man tut, achtsam tut. Dann kann das Aufstehen, das Waschen, das Duschen, das Zähneputzen, alles zum Bild dafür werden, ganz bei mir zu sein und den Sinn all dieser einfachen Tätigkeiten zu spüren. Da geht es letztlich immer auch um einen spirituellen Sinn. Zum Beispiel beim Zähneputzen: Dass meine Worte, die ich heute sage, reine Worte sind, die aufrichten und ermutigen und keine Worte, die emotionale Umweltverschmutzung betreiben.

DOMRADIO.DE: Wenn ich an das Staunen denke, da kommen sofort Kinder in den Sinn. Die staunen über alle Dinge in der Welt, die für uns Erwachsene oft schon einfach selbstverständlich geworden sind. Können Erwachsene wieder staunen, wenn sie einen anderen Blickwinkel einnehmen, also zum Beispiel den Blickwinkel der Kinder?

Anselm Grün: Wir können sicher von den Kindern lernen, die einfach staunen. Die Philosophen sagen: "Staunen ist der Anfang jeder Philosophie." Wenn ich mit ganz neuen Augen hinschaue, auf einen Menschen, auf einen Baum, eine Blume, dann kann ich einfach nur staunen. Wie und warum ist das so? Welche Schönheit kommt mir da entgegen? Also, wir brauchen diese Unvoreingenommenheit der Kinder, damit wir die alltäglichen Dinge mit ganz neuen Augen anschauen.

DOMRADIO.DE: Wieso geht das Staunen bei vielen Menschen verloren, wenn sie erwachsen sind?

Anselm Grün: Bei vielen ist das Leben zur Routine geworden oder sie sagen, Sie kennen schon alles und sind gar nicht mehr neugierig, neues wahrzunehmen. Auch sind sie oft so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht offen sind, für die Dinge die sie wahrnehmen. Ich kenne einen Mann, der geht durch die schönste Gegend spazieren und ärgert sich ständig über seine Mitarbeiter in der Firma, anstatt die Schönheit der Landschaft zu genießen.

DOMRADIO.DE: Warum ist es denn aus Ihrer Sicht wichtig, dass wir staunen können?

Anselm Grün: Das Leben bietet viele Überraschungen. Wer einfach nur zu ist, für den alles gleichgültig ist, dessen Leben wird innerlich arm. Dessen Leben verliert an Tatkraft, an Strahlkraft, an Freude, an Lebendigkeit. Ich denke, Staunen gehört einfach zur Lebendigkeit und zum Geheimnis des Lebens und auch zur Freude des Lebens.

DOMRADIO.DE: Was braucht man an Voraussetzungen, um staunen zu können?

Anselm Grün: Innehalten, sich nicht sagen: "Das kenne ich alles schon." Sondern es anschauen, als hätte ich es noch nie angeschaut. Es wahrnehmen und einfach auf sich wirken lassen. Ganz bei sich sein.

Das Gespräch führte Dagmar Peters.

 


Benediktinerpater Anselm Grün / © Harald Oppitz (KNA)
Benediktinerpater Anselm Grün / © Harald Oppitz ( KNA )

Anselm Grün (DR)
Anselm Grün / ( DR )
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DR