Ansprache von Alois Glück zum Abschluss des Katholikentages im Wortlaut

"Wir setzen auf den Dialog"

Zum Abschluss des 98. Deutschen Katholikentags hat der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, das Treffen als "großes Fest des Glaubens" bezeichnet. Zugleich rief er in seiner mehrfach von Applaus unterbrochenen Rede im Schlussgottesdienst am Sonntag in Mannheim zu Veränderungen auf: "Für uns sind Vertiefung des Glaubens und notwendige Veränderungen kein Gegensatz." Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die Ansprache im Wortlaut.

 (DR)

Dieser Katholikentag war ein großes Fest des Glaubens. Ich danke allen, die in der Vorbereitung und Durchführung geholfen haben, dass wir dieses Fest gemeinsam feiern konnten.



Wir haben eine lebendige, glaubensstarke und vitale Kirche erlebt. Immer wieder hörte ich: "Ich habe mir hier meinen Akku aufgeladen".



Ja, die Situation in unserer Kirche ist mehr als die Summe ihrer Defizite. In unserer Kirche und im Namen der Kirche, aber auch durch Katholikinnen und Katholiken, die in ihrer eigenen Verantwortung als Bürgerinnen und Bürger handeln, geschieht viel Großartiges!



Für mich war es eine beglückende Erfahrung, auf der Kirchenmeile die Vielfalt und das Engagement so vieler kirchlicher Gemeinschaften, von Verbänden und Organisationen, zu erleben. Diese Vielfalt ist nicht Gefahr, sondern Reichtum! Das ist die Frucht des Einsatzes vieler, vieler Ehrenamtlicher. Sie leben Glauben und Kirche, das ist ein besonderer Schatz.



Dieser Katholikentag war offen für alle Fragen, die uns in der Situation und in der Entwicklung unserer Kirche bedrängen. Für uns sind Vertiefung des Glaubens und notwendige Veränderungen kein Gegensatz. Wir setzen auf Dialog - und wir erwarten den Dialog und Ergebnisse. In der Freiheit des Geistes und des Wortes, und mit Respekt vor dem anderen Menschen und seinen Positionen, haben wir beraten, diskutiert und kontrovers debattiert. Diese Gesprächskultur sollte Maßstab werden für alle unsere kirchlichen Debatten.



Dafür ist die Haltung des hörenden Herzens, die der Heilige Vater den Politikern im Bundestag ans Herz gelegt hat, auch innerkirchlich eine gute Orientierung. Das "hörende Herz", das ist der Weg zu den Menschen, so wird Kirche wieder anziehender! Das hilft auch, die oft spürbare Angst vor Veränderung, den Pessimismus, die Verzagtheit zu überwinden.



"Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt." Das hat uns der große Sohn dieser Stadt, Alfred Delp, aus dem Gefängnis übermittelt. Das ist ein gutes Fundament für das Leben in dieser Zeit.



Nur anklagen oder jammern ist nicht unser Weg. Wir wollen mit Wertorientierung, mit Sachverstand, mit langem Atem die Aufgaben unserer Zeit und den Freiheitsraum unserer Gesellschaft mitgestalten.



"Die Würde des Menschen ist unantastbar", so lautet der erste Satz in unserem Grundgesetz. Das ist der Kompass für unsere Anstrengungen, dem Fortschritt eine neue Richtung, einen neuen Sinn, eine neue Qualität zu geben. Einem Fortschritt im Dienste aller Menschen. "Die Würde des Menschen ist unantastbar", das ist auch eine Selbstverpflichtung für den Umgang mit Menschen, die nicht der eigenen Herkunft oder Prägung entsprechen, etwa ausländischen Mitbürgern, oder etwa homosexuellen Menschen oder anderen Gruppen. Die Würde des Menschen ist für Christen auch die eindeutige Grenzziehung gegenüber rechtsradikalen und nationalkonservativen Gruppierungen, die vorgeben, "christlich-abendländische Werte" zu verteidigen, und dabei Stimmung gegen Menschen machen.



Mit Mut und Gottvertrauen einen neuen Aufbruch wagen - in unserem Leben, in unserer Kirche, in unserem Land, in weltweiter Solidarität. Das ist die Botschaft dieses Katholikentags. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Heimkehr!"