Ansprache von Jürgen Becker

"Finger in die Wunden der Zeit legen"

Wie von der Kölner Innenstadtpfarrei vorab angekündigt, hielt beim Rosenmontags-Gottesdienst in St. Agnes der Kabarettist Jürgen Becker die Predigt. Thema sollte das Magnificat sein. Dabei nahm der Kölner kein Blatt vor den Mund.

Kabarettist Jürgen Becker / © Jörg Loeffke (KNA)
Kabarettist Jürgen Becker / © Jörg Loeffke ( KNA )

Er begründete das damit, dass eine Predigt auch dafür da sei, "den Finger in die Wunden der Zeit zu legen". Im Zusammenhang mit dem jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche warf er daraufhin dem "System Meisner" Vertuschung und dem amtierenden Kölner Erzbischof Woelki "heiliges Verschweigen" vor. Als Folge träten selbst engagierte Katholiken aus der Kirche aus und die Kirchensteuer werde zur Gewissensfrage. "Denn es ist ja auch ihr Geld, das da von Kardinal und Co. an Spitzenanwälte und Kommunikationsagenturen überwiesen wird." Immer mehr Menschen vertrauten der Kirche nicht mehr, so Becker. Aus der Tageslesung zitierte er "Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen" und nannte das "Worte einer Theologie der Befreiung und vieler engagierter Kämpfer für Gerechtigkeit, Menschenrechte und Menschenwürde"; Werte, die in der Vergangenheit oft gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche durchgesetzt worden seien.

Eine Lanze brach der Kabarettist für "die Hälfte der Menschheit": die Frauen. Wer sie nicht in Leitungspositionen lasse, habe doch viel zu wenig Auswahl, witzelte er und erntete für seine Forderung spontanen Szenenapplaus. Auch Überlegungen bezüglich eines "nächsten Erzbischofs" stellte Becker an: "Er sollte auf keinen Fall katholisch sein" – sonst kämen womöglich aus der Vergangenheit wieder unappetitliche Verstrickungen ans Licht – "und er sollte eine Frau sein." Zum Beispiel Margot Käßmann, die Berufserfahrung habe und sich mit Luther auskenne, der wiederum als Katholik dem sündigen Klerus die Stirn geboten habe. Becker erklärte: "Eine schöne Kirche kriegen wir nur, wenn wir alte Zöpfe abschneiden." Deshalb machten im März ja auch die Friseure wieder auf.

(16.02.2021/DR)

Quelle:
DR