Dass Gewaltakte gegen christliche Heiligtümer auch im deutschsprachigen Raum vor prominenten Orten nicht haltmachen, zeigte zuletzt die Schändung des Gnadenbildes von Einsiedeln (16. November). In Frankreich stehen in den letzten Jahren Brandstiftungen und Vandalismus in Kirchen auf der Tagesordnung.
Die neuesten Zahlen der OSZE verzeichnen nun mehr als eine Verdopplung auf 277 registrierte Taten christenfeindlicher Gewalt in Deutschland auf Basis der Meldung durch das Bundeskriminalamt (BKA). Die Gesamtzahl der Hassverbrechen im Vergleichszeitraum stieg auch an, von 11.500 auf gut 17.000 Taten.
Laut der Definition der OSZE entfallen davon über 15.000 auf fremdenfeindliche oder rassistisch motivierte Taten, davon über 5.000 mit einem antisemitischen und knapp 1.500 mit einem islamfeindlichen Hintergrund. Die Nichtregierungsorganisation OIDAC (Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe) erfasst über jene Hasskriminalität hinaus, die als politisch motiviert erfasst werden konnte, weitere Vergehen wie Vandalismus und Brandstiftung, wenn eine antichristliche Motivation nicht statistisch aufgenommen wurde.
Aufgrund der Polizeidaten schätzt das in Wien ansässige Institut mehr als 2.000 Taten pro Jahr in der Bundesrepublik. Damit wäre sie Spitzenreiter in Europa noch vor Frankreich mit zuletzt etwa 950 solcher Taten und Großbritannien mit über 700. Die von OIDAC erfassten Gewalttaten in ganz Europa entfallen zu 62 Prozent auf Vandalismus, inklusive bewusster Schändung von sakralen Orten bzw. Gegenständen. Zehn Prozent der Taten entfallen mittlerweile auf Brandstiftung. Physische Gewalt gegen Personen ist jedoch mit sieben Prozent deutlich feststellbar. Zwei Prozent der Taten richteten sich sogar gegen das Leben der angegriffenen Christinnen und Christen.
Berichte unterscheiden bei der Aufschlüsselung des Befunds
Die Zahlen des BKA und des OIDAC werden zudem unterschiedlich aufgeschlüsselt. Das BKA sieht von den 92 zuortbaren Angriffen auf Kirchen 31 politisch rechts motiviert, 16 durch politische Ideologien und 14 durch politisch linke Motive. Das OIDAC konnte 69 Taten einer Motivlage zuordnen. Dabei verfielen dann 21 auf einen islamistischen, 14 auf einen antireligiösen, 13 auf einen linksradikalen und 12 auf andere politische motivierte Hintergründe.
Einen besonderen Schwerpunkt legt der Bericht auf die Diskriminierung von Christen. In diesem Jahr stand Großbritannien im Fokus des Berichts mit Zahlen der "Commission of Inquiry into Discrimination Against Christians". Der Bericht beruht nach eigenen Angaben auf Hearings zwischen Oktober 2023 und Juli 2024. Demnach nehmen Christen in Großbritannien ihre Umgebung zunehmen als ihnen feindlich gesonnen wahr. Der Bericht spricht von einer "Spitze des Eisbergs". Einer repräsentativen Studie mit 1.562 beteiligten Christinnen und Christen zufolge hätten 56 Prozent feindliche Reaktionen auf ihr christliches Bekenntnis hin erfahren, von den unter 35-Jährigen sogar 61 Prozent.
Spitzenreiter bei der Diskriminierung von Christen ist dabei der Arbeitsplatz. Dabei können heute auch einfache Glaubensüberzeugungen wie die Schöpfung des Menschen als Mann und Frau Grund für Diskriminierung, Suspension oder Entlassung werden.
Dann kritisiert der Bericht, dass Medien in Europa Gewalt gegen Christen zu wenig Raum gäben. Auch würden Auslassungen und ein fehlendes Bewusstsein für Vergehen und Verbrechen gegen Christen und christliches Kulturgut berichtet. Angeführt wird das Beispiel einer geschändeten Kapelle in Deutschland, die trotz der Brutalität der Tat in der Berichterstattung auf den Alkoholkonsum der Täter zurückgeführt worden sei.
Ein weiterer Punkt ist der Beschränkung der Religionsfreiheit gewidmet. Dazu gehört beispielsweise die Einrichtung von Bannmeilen um Abtreibungszentren, in deren Nähe Christen Gebetswachen abgehalten haben. Auch in der Bundesrepublik ist ein solches Gesetz als "Verbot der Gehsteigberatung" gültig.
Kanton Genf macht Schwierigkeiten bei Prozessionen und Taufen
Doch auch traditionelle religiöse Anlässe wie eine Fronleichnamsprozession können heute zum Zusammenstoß mit der weltlichen Sphäre führen. In der Schweiz kam es laut dem Bericht 2023 zu einem Konflikt um eine solche Prozession. Ein Verbot des Kantons Genf wurde vom Schweizer Bundesgericht bestätigt. Im Kanton Genf dürfen Religionsgemeinschaften, die keine öffentlichen Beziehungen zum Staat unterhalten, keine Taufen mehr im Genfer See abhalten.
Auch Gewissenvorbehalte von Christinnen und Christen im medizinischen Bereich geraten zunehmend unter Druck. Das gilt für die Mitwirkung an Abtreibungen und in einigen Ländern Europa für Beihilfe zum Suizid oder aktive Sterbehilfe. Auch in Deutschland hat die Bundesregierung im September 2023 angekündigt, dass die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen verpflichtender Bestandteil des medizinischen Curriculums werden soll, einschließlich der "Kenntnisse zur Durchführung und Begründung von medizinischen und chirurgischen Schwangerschaftsabbrüchen" als Lernziel.
Religionsfreiheit wird gegen Schulpflicht ausgespielt
Der Bericht hebt in der Rubrik der Elternrechte und ihrer Gefährdung die Schließung der "Christian Dietrich Bonhoeffer International School" in Laichingen durch die baden-württembergische Landesregierung hervor. Diese Schule kombinierte "Heim- und Präsenzschule". Mit Hilfe der in Wien ansässigen Rechtsschutzorganisation ADF International klagt der Träger derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Jedoch: In der Bundesrepublik herrscht Schulpflicht, die bislang juristisch nicht als Eingriff in das Elternrecht oder die Religionsfreiheit gewertet wurde, sondern bei der den christlichen Kirchen mit ihren Konfessionsschulen ihr eigener Erziehungsauftrag anerkannt wurde.
Weit bedrohter scheint die Religionsfreiheit derzeit jedoch in Osteuropa. In der Ukraine geht die Regierung gegen die früher mit Moskau verbundene orthodoxe Teilkirche vor, in den besetzten Gebieten Russland gegen Kleriker der mit Rom unierten byzantinischen Katholiken - und in Belarus wächst das Misstrauen ebenso gegen religiöse Kräfte, die fremd erscheinen. Doch auch daran geht der Bericht des OIDAC mit interessanten Auswertungen nicht vorbei, die die Zahlen der OSZE sinnvoll ergänzen.