"Antisemitischer Übergriff" in Frankfurt

Staatsschutz ermittelt

Aus Sicht der Jüdischen Gemeinde Frankfurt war es kein blöder Jugendstreich, sondern "Hass gegen als Juden erkennbare Besucher unserer Stadt". Nach dem Vorfall vor einem jüdischen Denkmal ermittelt der Staatsschutz.

Autor/in:
Norbert Demuth
Beleuchtete Synagoge im Frankfurter Stadtteil Westend / © Bert Bostelmann (KNA)
Beleuchtete Synagoge im Frankfurter Stadtteil Westend / © Bert Bostelmann ( KNA )

In Frankfurt am Main hat es laut Jüdischer Gemeinde und Stadtverwaltung am Donnerstag einen antisemitischen Übergriff gegeben. Nach Angaben der Polizei ermittelt der Staatsschutz.

Betroffen war demnach eine jüdische Besuchergruppe, die aus den USA angereist war. Es handelte sich um Teilnehmer eines Besuchsprogramms der Stadt Frankfurt für Nachfahren von ehemaligen jüdischen Bürgern.

"Wir sind zutiefst entsetzt"

"Die Gruppe, die aus Kindern und Enkelkindern von ehemaligen Frankfurtern besteht, die aufgrund ihres Jüdisch-Seins ihre Heimat vor mehr als 80 Jahren verlassen mussten, wurden heute wieder aufgrund ihres Jüdisch-Seins mitten in Frankfurt angegriffen", teilte der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt mit.

Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde Frankfurt / © Heike Lyding (epd)
Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde Frankfurt / © Heike Lyding ( epd )

"Wir sind zutiefst entsetzt. Dies war kein blöder Jugendstreich, sondern Hass gegen als Juden erkennbare Besucher unserer Stadt",  erklärte Marc Grünbaum vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde. Es sei davon auszugehen, dass eine Gruppe junger Männer sich bewusst einer Teilnehmerin genähert hab und diese dann mit "Allahu Akbar"-Rufen sowie einem Flaschenwurf habe bedrohen wollen.

Ähnlich schilderte die Polizei den Vorfall: Ein Jugendlicher aus einer Gruppe von fünf Personen habe eine gefüllte PET Flasche senkrecht nach oben in die Luft geworfen und dabei die Worte "Allahu Akbar" geschrien - was im Islam "Gott ist groß" bedeutet: "Die Flasche schlug in unmittelbarer Nähe der Geschädigten auf dem Boden auf, wodurch sich diese bedroht fühlte und laut um Hilfe rief", so die Polizei.

"Versuchte gefährliche Körperverletzung"

Die Ermittler sprachen von einer "versuchten gefährlichen Körperverletzung in der Nähe einer jüdischen Gedenkstätte". Der Vorfall ereignete sich demnach vor einem jüdischen Denkmal in unmittelbarer Nähe der Europäischen Zentralbank (EZB).

Europäische Zentralbank in Frankfurt / © Yavuz Meyveci (shutterstock)
Europäische Zentralbank in Frankfurt / © Yavuz Meyveci ( shutterstock )

Ein Mitarbeiter der Stadt Frankfurt, der die Besuchergruppe begleitete, habe das Gespräch mit den Jugendlichen gesucht und diese zurechtgewiesen. "Der Flaschenwerfer kam sodann zu der Geschädigten und entschuldigte sich für sein Verhalten, anschließend entfernten sich die Jugendlichen", so die Polizei. Der Täter soll etwa 18 bis 20 Jahre alt gewesen sein.

"Ein Teil der Täter hat sich wohl bereits unmittelbar nach dem Angriff entschuldigt, aber damit können wir den Vorfall nicht einfach zu den Akten legen", sagte Grünbaum: "Wir bieten diesen Jugendlichen das Gespräch an, damit sie die Reichweite ihres Handelns verstehen."

Kampf gegen Antisemitismus ist immerwährend 

Gerade in Anbetracht dessen, dass einige der Nachfahren immer noch Bedenken und Hemmungen hätten, nach Deutschland zu reisen, schmerze es besonders, dass Teilnehmer des Besuchsprogramms "auf einen solchen Hass gestoßen sind", betonte die Jüdische Gemeinde. Die betroffene Frau sei zwar körperlich unversehrt geblieben, "aber die emotionalen Wunden, die dieser Vorfall sicherlich bei vielen in der Gruppe verursacht hat, dürften noch lange nachwirken".

Hessischer Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (CDU) / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Hessischer Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (CDU) / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker erklärte: "Die Hemmungslosigkeit, mit der hier an der Gedenkstätte Juden antisemitisch beleidigt und angegriffen wurden, verurteile ich auf das Schärfste."

Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sprach von einem "antisemitischen Angriff" und fügte hinzu: "Der heutige Vorfall zeigt, dass der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus ein immerwährender ist, leider auch in unserer Stadt." Frankfurt am Main gilt als die "jüdischste Stadt" Deutschlands.

Antisemitismus in Deutschland

Antisemitische und antiisraelische Straftaten nehmen in Deutschland wieder zu. Den Angaben der Bundesregierung zufolge wurden unter anderem 434 Fälle von Volksverhetzung, 15 Gewaltdelikte sowie 70 Fälle, die Sachbeschädigung betreffen, gezählt. Weitere Delikte betreffen etwa die Störung der Totenruhe oder Nötigung. Mehr als 90 Prozent der Straftaten wurden von deutschen Staatsangehörigen verübt. Von einer deutlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. 312 von 339 Tatverdächtigen waren Deutsche.

Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
KNA