Diese Ekstase, dieses Glück, diese nach außen gekehrte Frömmigkeit: Claudia Drexel eröffnet ihre Dokumentation "Abschied vom Islam - Wenn Flüchtlinge Christen werden", zu sehen in der ARD am 31. Juli ab 17.30 Uhr, mit irritierenden Bildern. Mit Bildern von einer Massentaufe einer Hamburger Pfingstgemeinde, geleitet von dem Prediger Albert Babajan, der, wie es der Sprechertext betont, "missionieren" wolle.
In die Bilder mischt sich Skepsis
Die Irritation dieser Bilder liegt darin, wie sinnlich und sichtbar hier der Glaube neuer Christen - 80 an der Zahl, allesamt Konvertiten vom Islam - wird. Solch eine religiöse Begeisterung ist im einigermaßen durchsäkularisierten Europa ansonsten kaum noch zu finden.
So mischt sich in den Blick der Filmemacherin gleich auch die Skepsis. "Missionieren", auch das klingt im 21. Jahrhundert irgendwie aggressiv und nach Gehirnwäsche. Und überhaupt: Steigert die Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit im Heimatland nicht auch - als verdächtig angenehmer Nebeneffekt - die Chancen in den anstehenden Asylverfahren? Über den lichtdurchfluteten Aufnahmen des Freiluftgottesdienstes und der Taufe im Stadtparksee liegt von Beginn an ein Verdacht, dessen Herkunft dann doch tiefer begründet sein muss als nur im Staunen über klatschende, tanzende, "Hallelujah" rufende Menschen.
Einem Pastor wird in der Einleitung, die einen für TV-Dokus typischen Überblick über das Problemfeld gibt, sogar eine ablehnende Haltung in den Mund gelegt, die dieser in seiner Predigt, wie später zu hören ist, lediglich kritisch zitiert hatte.
Liebe statt Gottesfurcht
Claudia Drexel hat also implizit die Beweislast umgekehrt und sich gewissermaßen selbst auf die Schultern gelegt. Knappe 30 Minuten bleiben ihr, um den Verdacht zu widerlegen. Die Erkundungsreise beginnt beim Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge, wo eine Abteilungsleiterin klarstellt, nicht Religion, sondern religiöse Verfolgung sei ein Asylgrund - und Wissenstests zum neu gefundenen Glauben lehne man als Überprüfungskriterium ab. Das wiederum befremdet eine Priesterin, die von genau solchen Fragen weiß: Welche Verpflichtungen gehören denn zu Ihrem neuen Leben als Christ, wollte ein Beamter etwa von einem Asylbewerber wissen. Eine passgenaue Antwort fällt noch nicht einmal der Theologin ein.
Selbstverständlich wird in Drexels Film nicht nur über die Konvertiten gesprochen, sondern auch mit ihnen. Der Islam habe ihn Gottesfurcht gelehrt, das Christentum dagegen Liebe, erzählt ein junger Iraner. Zum ersten Mal habe er Religion ohne Angst erfahren können. Sein Landsmann Parsa will sich das Bleiberecht vor Gericht erstreiten. Wenn er gefragt werde, warum er mit der Taufe so lange gewartet habe, so rät ihm sein Anwalt, so solle er auf seine freie und bewusste Entscheidung verweisen: Er habe noch sicherer werden, noch tiefer in sich hineinhören wollen. Am Ende der Dokumentation ist Paras Verfahren weiterhin offen.
Dokumentation lässt Generalverdacht ab
Homar und ihr Ehemann Ramin, beide aus Afghanistan, gehören zu den 80 Neuchristen, die im Hamburger Stadtparksee getauft wurden. Den Pass zum Himmel hätten sie nun schon, sagt Ramin mit leuchtendem Gesicht bei einer Messe, die den Film beschließt; der deutsche Pass sei da nicht mehr so wichtig. Gleichzeitig gibt es Erfahrungsberichte, nach denen die Flüchtlinge in den Gemeinden wohlwollender aufgenommen werden als in den Unterkünften, wo sie als Abtrünnige gelten. Jede Behinderung, den christlichen Glauben zu leben, sei ein klarer Rechtsverstoß, sagt der junge Pastor Andreas Holzbauer.
Zweifelsohne wird das Thema Religion in der einen oder anderen Form in allen zukünftigen Integrationsdebatten präsent sein und - das bleibt zu hoffen - nicht nur in den ressentimentgeladenen. Drexels Dokumentation jedenfalls öffnet sich in ihrem Verlauf zu allen Seiten. Sie beruhigt die eine Skepsis und weckt eine neue; sie lässt vom Generalverdacht ebenso ab wie von vielen Scheingewissheiten.
Hinweis: "Abschied vom Islam - Wenn Flüchtlinge Christen werden".
Ein Film von Claudia Drexel. ARD, So 31.07., 17.30 - 18.00 Uhr. Mit Untertiteln für Hörgeschädigte.