Armutsmigranten: CSU bleibt hart

Kirchen mahnen zu Solidarität

In der Debatte um einen möglichen Zuzug von armen Menschen aus Bulgarien und Rumänien verteidigt CSU-Chef Horst Seehofer den Kurs seiner Partei. Vertreter der Kirchen mahnen unterdessen zu Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten.

Spargelstecher aus Bulgarien (dpa)
Spargelstecher aus Bulgarien / ( dpa )

Maßnahmen gegen EU-Bürger, die zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch nähmen, seien Bestandteil der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und SPD, sagte Seehofer der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). "Das steht so im Koalitionsvertrag und wird auch umgesetzt. Auch Wiedereinreise-Verbote sind dort erwähnt. " Die CSU sei vertragstreu, fügte Seehofer hinzu: "Das erwarte ich von allen in der Koalition."

Im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit können seit dem heutigen Mittwoch Bulgaren und Rumänen in jedem der 28 EU-Mitgliedsstaaten arbeiten. Kritiker befürchten dadurch eine vermehrte Zuwanderung von sozial Schwachen nach Deutschland. Auslöser der aktuellen Debatte ist ein noch unveröffentlichtes Papier der CSU, in dem sie sich für harte Maßnahmen ausspricht. "Wer betrügt, der fliegt", zitieren Medien aus der Vorlage, die demnächst bei der jährlichen Klausurtagung der CSU in Wildbad-Kreuth beschlossen werden soll.

Laschet: Angst vor Armutszuwanderung übertrieben

CDU-Bundesvize Armin Laschet hält dagegen die Angst vor Armutszuwanderung für übertrieben. "Die ernsthaften Probleme, die es in Duisburg, Dortmund und Köln gibt, haben logischerweise nichts mit der neuen Freizügigkeit zu tun, denn die beginnt ja erst am 1. Januar", sagte der NRW-CDU-Politiker der "Rheinischen Post". "Ähnlich aufgeregte Debatten hatten wir bereits 2004, als es um Zuwanderung aus Polen, Ungarn und Tschechien ging. Damals kam nur ein Bruchteil der Menschen, die man erwartet hatte." Die meisten Menschen, die diesmal kommen könnten, seien gut ausgebildet. "Die werden alle in unsere Sozialkassen einzahlen."

Grünen-Chef Cem Özdemir nannte den Vorstoß der CSU "schamlos, inkompetent und hochgradig europafeindlich". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse "diesem verantwortungslosen Treiben endlich Einhalt gebieten". Der Vorsitzende der Liberalen Fraktion im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff (FDP) zeigte sich in einem RBB-Radiointerview entsetzt. "90 Prozent aller Menschen, die aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland, aber auch in die Niederlande oder nach Großbritannien zugewandert sind, arbeiten in sozialversicherungspflichtigen  Arbeitsverhältnissen." Die CSU solle mit ihrer "populistischen Hetze" aufhören.

Seehofer wies in der "Bild" den Vorwurf, seine Partei fische am rechten Rand, als "absurd" zurück. "Der beste Schutz gegen rechtsradikale Dumpfbacken ist, die Probleme zu lösen, auf denen diese Leute ihr Süppchen kochen."

Bulgariens Botschafter in Berlin, Radi Naidenov, kritisierte in der Zeitung "Die Welt": "Wer Vorurteile bedient und populistisch argumentiert, schadet der europäischen Idee insgesamt und damit uns allen." Die Grünen warfen der CSU "populistische Stimmungsmache" vor. "Die allermeisten Bulgaren und Rumänen, die schon in Deutschland leben und arbeiten, stärken unsere Sozialsysteme und unsere Wirtschaft", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt der Nachrichtenagentur dpa. "Seehofer und Co. ist der Stimmenfang am rechten Rand offensichtlich wichtiger als ein konstruktiver Umgang mit den Herausforderungen der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit."

Zollitsch: Aggression, Zerstörung und Feindseligkeit

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte von Bund und Ländern "finanzielle und organisatorische Hilfe" bei der Unterbringung von Armutszuwanderern. "Wir benötigen unter anderem Unterstützung, um Wohnraum zur Verfügung stellen zu können", sagte er im Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstag).

Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) muss Deutschland für Zuwanderer attraktiver werden. Bis 2020 sinke das Potenzial an Erwerbstätigen um 6,5 Millionen Menschen, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo der dpa. "Wenn wir stärker wachsen wollen, müssen wir auch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland hereinholen. Und diese Menschen müssen die Möglichkeit bekommen, integriert zu werden."

Vertreter der großen Kirchen appellierten unterdessen an Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten. "Leider müssen wir auch in unserem Land immer wieder erleben, dass Aggression, Zerstörung und Feindseligkeit das Bild unserer Städte und Gemeinden prägen", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zum Weltfriedenstag, den die katholische Kirche am 1. Januar begeht.

"Die Frage, wie wir in unserem reichen Land mit Menschen umgehen, die Not leiden, bleibt eine zentrale Frage des Neuen Jahres", schrieb der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, in seiner Neujahrsbotschaft.


Quelle:
KNA , dpa