Einen "Großkampftag" - ausgerechnet so nennt ein Mitarbeiter von Sant'Egidio den Abschluss des Friedenstreffens in Assisi. Papst Franziskus beehrt die Zusammenkunft der Weltreligionen mit seiner Anwesenheit, und für die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio, die das Treffen ausrichtete, ist es die Bestätigung ihrer 30-jährigen Arbeit auf dem Feld des Dialogs.1986 ergriff Johannes Paul II. (1978-2005) eine ungewöhnliche Initiative: Im letzten Aufwallen des Kalten Kriegs, als die Sowjetunion und die Nato ihre nuklearen Arsenale aufstockte, rief er die Führer der Weltreligionen zusammen, um mit geeinter Stimme dem Rüstungswahnsinn Einhalt zu gebieten. Sant'Egidio, die Gruppe um den charismatischen Andrea Riccardi mit Sitz im römischen Trastevere und vielfältigen Verbindungen in den Vatikan, nahm den Ball auf und spielte ihn weiter.
Jährlich organisierte Sant'Egidio an wechselnden Orten in Europa - einmal auch in Washington - Treffen der Religionen. Unabhängig davon luden die Päpste noch dreimal zu Friedensgebeten nach Assisi ein: 1993 angesichts der Balkankrise, 2002 nach den Anschlägen vom 11. September, 2011 - mit Benedikt XVI. (2005-2013) als Gastgeber - als Antwort auf den wachsenden Terrorismus. In diesem Jahr geschieht es zum ersten Mal, dass ein Papst sozusagen als Gast von Sant'Egidio an der Begegnung teilnimmt. Man kann das als Ausweis der Bedeutung dieser Gemeinschaft deuten oder als Zeichen, dass prominente Unterstützung willkommen ist. Denn in den turnusmäßigen Zusammenkünften ist nach drei Jahrzehnten eine gewisse Routine eingekehrt.
Rund 10.000 Teilnehmer
Gut 500 Religionsführer, Geistliche, Politiker, Wissenschaftler und Intellektuelle folgten jetzt der Einladung nach Assisi, um über ein breites Spektrum von Themen zu diskutieren. Wirklich neue, wegweisende Beiträge waren in der Vielfalt der Wortmeldungen indessen schwer auszumachen. Das liegt nicht zuletzt am Format der Veranstaltungen: Die zehnminütigen vorbereiteten Statements auf rund 30 Einzelpodien ließen einen echten Gedankenaustausch kaum zu. Ein junger Priester aus dem Irak, Rebwar Audish Basa, berichtet von der Flucht der Christen aus seinem Land. Daniele Donati von der Welternährungsorganisation FAO mahnt, die globale Migration an den Wurzeln Armut und Ungleichheit zu bekämpfen. Der frühere Oberrabbiner David Rosen aus Irland erinnert an die epochale Erneuerung des Verhältnisses zwischen Katholiken und Juden vor 50 Jahren. Der nigerianische Erzbischof Ignatius Kaigama hebt die humanen und kulturellen Ressourcen seines Kontinents hervor. Alles ist wichtig, wenig führt weiter.
Aber um den großen Wurf schien es den rund 10.000 Teilnehmern auch nicht zu gehen. Als dankbare Zuhörer, flanierend, im zwanglosen freundschaftlichen Austausch belebten sie drei Tage lang Assisi. Seine Gassen haben seit der Renovierung nach dem Erdbeben etwas Puppenstubenhaftes, Künstliches. Ein Schonraum für Menschen, die sich über ihren guten Willen zum Frieden vergewissern, die die Fackel von 1986 weiterreichen oder wenigstens den glimmenden Docht. Ausgerechnet in dem Moment, in dem das Organisationsteam von Sant'Egidio mit dem Besuch von Franziskus die Krönung seiner Arbeit erfährt, sind die Mitarbeiter ein bisschen zur Untätigkeit verurteilt. Aus Sicherheitsgründen bleiben die sonst so rührigen Aktivisten im Konvent der Franziskaner hinter der Bühne der Schlusskundgebung praktisch eingesperrt. Die letzte Geste der Versöhnung liegt nicht mehr in ihrer Hand. "Wenn der Papst kommt", sagt der Sant'Egidio-Mitarbeiter über seinen Großkampftag, "können wir nur zusehen."