DOMRADIO.DE: Glaubenskommunikation? Was stellt man sich denn unter diesem Begriff eigentlich vor? Weitergeben, drüber reden. Was kommuniziert man da?
Prof. Dr. Matthias Sellmann (Ruhr-Universität Bochum): Kommunikation heißt, Werbung zu machen dafür, dass man an Gott glauben kann, dass man in einer Kirche sich versammeln kann, dass man das Kirchenjahr feiern kann, dass man beten kann, sowohl Leute motivieren, bekanntmachen, auch werben, Marketing dafür zu machen, dass es das gibt - und dass das ein Leben erfüllen kann.
DOMRADIO.DE: Diese Weitergabe funktioniert ja seit 2000 Jahren eigentlich ganz ok. Wozu muss man das jetzt studieren?
Sellmann: Das ist eine steile Behauptung, dass das seit 2000 Jahren einfach so funktioniert. Das ist immer ausgebildet worden, früher vor allem von den Orden. Es gibt ja ganze Verkündigungsorden und natürlich auch immer in den Schulen, in den Predigerschulen und so weiter.
Heute haben wir natürlich eine neue Situation. Da muss man jetzt wirklich nicht lange in der Tageszeitung herumblättern, um zu sehen, dass die katholische Kirche, die evangelische Kirche auch, an Mitgliedern verliert. Sie kriegt ihre Botschaft nicht gut erzählt. Immer mehr Menschen haben ein Nicht-Verhältnis zur Religion. Das ist völlig in Ordnung. Allerdings wäre es schade, wenn das der Fall ist, weil sie nie attraktiv erzählt bekommen haben, was eine Religion kann, wie toll eine Religion sein kann - und das speziell eben auch unter dem Label von Christsein.
DOMRADIO.DE: Wo läuft denn so eine Glaubenskommunikation dann schief oder wird vielleicht gar nicht betrieben?
Sellmann: Ich finde es interessant, da drauf zu gucken, wo was gut läuft. Corona hat ja im digitalen Bereich, in der Form der digitalen Glaubenssprache und Glaubensbewerbung einen echten Quantensprung gemacht. Viele Priester, aber auch viele Gemeindereferenten oder auch Seelsorger haben sich einfach vor ein Miko gestellt, haben sich einfach vor eine Kamera gestellt, haben berührende Geschichten erzählt, haben Filme gedreht und so weiter.
Da hat man zweierlei gemerkt: Erstens, wie großartig das ist, was diese Leute zu erzählen haben. Zweitens aber auch, dass die Kompetenz, es jetzt auch so zu filmen und so zu performen, wie man das heute so kennt, bei den meisten noch nicht da ist. Die kann auch nicht da sein, weil die bisher nicht wirklich zur Ausbildung dieser Berufe gehört. Und diese Lücke wollen wir schließen. Das heißt, wir wollen Leute, die große Storys und berührende Geschichten zu erzählen haben, jetzt auch dazu befähigen, dies professioneller, technischer und auch magnetischer zu tun.
DOMRADIO.DE: Heißt aber, das beinhaltet nicht nur Medien- und Rhetoriktraining?
Sellmann: Das wäre jetzt noch nicht das Universitätsniveau, worauf Sie anspielen. Das sind aber auch Inhalte unserer Ausbildung. Gesprächsführung, Rhetorik, Redetraining, das können die normalen Seelsorgeberufe bereits. Aber hier geht es jetzt darum, ein neues Berufsbild zu kreieren, nämlich Public Relation, also die Gestaltung des öffentlichen Raumes mit den Inhalten von Glaube und Kirche. Das sind auch leitende Tätigkeiten, die wir uns vorstellen, und das wirklich als Universitätsstudium, als berufsbegleitendes Universitätsstudium.
Das heißt, wir lernen dort wirklich auch Theologie. Zum Beispiel: Was ist Offenbarung? Wir sprechen ja von Offenbarung. Was ist das eigentlich in kommunikativer Hinsicht? Wie hat Jesus geredet? Storytelling von Jesus, der Apostel, aber auch die Konfliktgeschichte zwischen Kirche und Medien, das sind zum Beispiel solche theologischen Studieninhalte.
Dann haben wir religionssoziologische Studieninhalte. Wie verändert sich die Gesellschaft? Wie bilden sich Zielgruppen? Wie geht in der modernen Gesellschaft auch interreligiöser Dialog? Wie adressiere ich? Wie kommuniziere ich solche Dinge?
Und drittens dann die kommunikationswissenschafter Säule. Da geht es auch um Grundlagen von Kommunikation, aber eben auch Techniken wie Informationsdesign, Kampagnenplanung, Crossmediales Storytelling, um jetzt einfach mal ein paar Ausbildungsinhalte zu nennen. Aber natürlich ganz praktisch ausgerichtet, weil es eine Berufsausbildung sein soll.
DOMRADIO.DE: Heißt Hausaufgabe könnte sein: "Mach mal ein Konzept für die Promotion von Gottesdienstbesuchen"?
Sellmann: Das wäre im späteren Verlauf des Studiums. Eine der wichtigsten Kompetenzen, die wir vermitteln wollen, ist Kampagnen-Entwicklung, Kampagnen-Planung und auch Durchführung. Das wäre zum Beispiel eine schöne Abschlussarbeit: Wie kommuniziert ein Krankenhausträgerverband? Wie kommuniziert man eine Kampagne für den heiligen Vinzenz von Paul? Könnte man sich vorstellen.
Aber auch: Wie kommuniziere ich Ostern? Was wir eigentlich an Ostern feiern, aber gerne auch, wie Sie gerade sagen: Wie kommuniziere ich Gottesdienstbesuch? Wie mache ich das magnetisch? Wie mache ich das attraktiv? Wie erzähle ich das? Wie filme ich das? Wie baue ich verschiedene Medien wie Print, Film, Audio und so weiter zusammen?
Aber es ist eben auch durchaus eine Hausaufgabe, jetzt auch Bücher zu lesen, wie man das vom Studium kennt, und Referate zu halten, Online-Vorlesungen zu hören und auch ganz klassisch zu reflektieren über das, was Glaubenskommunikation sein soll.
DOMRADIO.DE: Jetzt muss man diesen neuen Studiengang selber bezahlen. 2.400 Euro pro Semester. Ist das üblich?
Sellmann: Das klingt erst einmal viel. Das stimmt. Es ist sehr üblich. Ist es sogar noch im Rahmen der berufsausbildenden Master im unteren Bereich. Ich würde sehr gerne auch bekräftigen wollen, dass da überhaupt keine Gewinnerzielungsabsicht damit erfolgt. Das wird staatlich nicht gefördert. Solche begleitenden Masterausbildungen - und deswegen sind wir da mit der Akademie der RUB (Ruhr-Universität Bochum, Anm. d. Red.), das ist unser Partner, auch mit einem privaten Träger zusammen. Es ist aber ein Universitätsabschluss, weil es da Verträge gibt miteinander.
Und ich würde gerne noch hinzufügen wollen, dass man natürlich dann zum Beispiel, wenn man mit einem Bachelorabschluss Gemeindereferentin, Gemeindereferent, die wir als Zielgruppe ganz stark sehen wollen würden, "aufsteigen" können. Die verbessern sich ja dann auch im Gehaltsgefüge, können dann Master machen, werden damit ähnlich zu den Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten. Und das ist dann eine reine Rechnung, wann sich diese Investitionskosten in die Weiterbildung amortisieren.
Ich hoffe aber auch, dass sich Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen finden, die das für ihre Arbeitnehmer übernehmen, zumindest anteilig vielleicht übernehmen, weil sie auch selbst ein Interesse daran haben. Damit wird man qualifiziert für eine evangelische oder katholische Institution, Chef oder Chefin für die PR zu werden.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.