Auch Bundestag spricht von Völkermord

 (DR)

Der Völkermord an bis zu 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren wird nun auch vom Bundestag beim Namen genannt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte am Freitag im Parlament: "Das, was mitten im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stattgefunden hat, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, war ein Völkermord." In der anschließenden Debatte wurde diese Einschätzung von Rednern aller Fraktionen geteilt. Noch vor der Sommerpause will der Bundestag dazu eine Erklärung verabschieden.

Mit der Debatte zum 100. Jahrestag der Massaker verabschiedete sich die deutsche Politik von der weitgehenden Praxis, den Begriff Völkermord aus Rücksicht auf die Türkei zu vermeiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verfolgten die Aussprache von der Regierungsbank, ohne sich selbst zu Wort zu melden.

Lammert bekannte sich auch klar zur deutschen Mitverantwortung am damaligen Geschehen. Das Deutsche Kaiserreich war enger Verbündeter des Osmanischen Reichs. Der Bundestagspräsident betonte weiter: "Die heutige Regierung in der Türkei ist nicht verantwortlich für das, was vor 100 Jahren geschah. Aber sie ist mitverantwortlich für das, was daraus wird." Zugleich würdigte er die Bemühungen der Türkei, die infolge des Syrien-Kriegs mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat.

In der geplanten Erklärung des Bundestags, die mit den Koalitionsfraktionen abgesprochen wurde, heißt es nun über die Armenier: "Ihr Schicksal steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist." Nach der ersten Beratung geht der Text nun an die Ausschüsse. Er soll bis zum Sommer verabschiedet werden. (dpa)