Auch ein Jahr nach dem Erdrutsch bleiben Fragezeichen

Nachterstedt gedenkt

Ein Jahr nach dem schweren Erdrutsch in Nachterstedt wurde mit einem Gottesdienst und einem Gedenkstein an die Katastrophe erinnert. Drei Menschen kamen damals ums Leben. Geologen suchen bis heute nach der Ursache für das Unglück.

 (DR)

Nach dem Gottesdienst eröffnete Wirtschaftsminister Rainer Haseloff (CDU) gemeinsam mit Vertretern der Kommune und der Bergbauverwaltungsgesellschaft eine Gedenkstätte für die Opfer des Unglücks, bei dem drei Menschen starben und 41 aus ihren einsturzgefährdeten Häusern evakuiert wurden.

Der evangelische Pfarrer Holger Holtz erinnerte in seiner Predigt daran, dass die Katastrophe in ganz Deutschland eine Welle der Anteilnahme und der Spendenbereitschaft ausgelöst habe. Ein Jahr danach blieben die Trauer um die verlorenen Menschen und die Wunden des Verlusts von Lebensqualität und Zukunftsplänen. Zudem sei einmal mehr deutlich geworden, dass menschliche Eingriffe in die Natur immer auch Gefahren bedeuten, «weil wir das Gleichgewicht der guten Ordnung stören».

Suche nach den Ursachen
Der Geschäftsführer der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Mahmut Kuyumcu, sprach im Vorfeld von mehreren Faktoren, die gleichzeitig gewirkt hätten. Diese müssten weiter erforscht werden. Die LMBV hält an ihrem Ziel fest, die Verschütteten zu bergen.

Bei dem Erdrutsch am 18. Juli 2009 am Rande des "Concordia"-Tagebausees, der nach jüngsten Angaben etwa 40 Minuten dauerte, waren drei Menschen unter drei Millionen Kubikmetern Erde verschüttet worden. Die Erdmassen hatten sich bis zu 1300 Meter weit in den See ergossen und dort Höhen von bis zu 38 Metern erreicht. Sechs Doppelhäuser und die nach dem Erdrutsch stehengebliebene zweite Hälfte eines Doppelhauses in der Siedlung "Am Ring" waren für unbewohnbar erklärt worden. Die 42 Bewohner mussten umziehen.

Laut LMBV wurde bis Ende 2009 bei 19 von 23 Haushalten der Schaden reguliert. Fünf Millionen Euro wurden dafür ausgegeben. Die doppelte Summe investierte das Unternehmen bislang in die Sicherung und Erkundung des Geländes. Für betroffene Gewerbetreibende wurde ein Nothilfefonds in Höhe von einer Million Euro eingerichtet.

Die Suche nach den Ursachen
Kuyumcu bekräftigte das Interesse seines Unternehmens an einer uneingeschränkten Aufklärung der Unglücksursache. Das sei nicht nur für die künftige Gestaltung des Sees wichtig, sondern auch für die etwa 50 großen Seen, die im Auftrag der LMBV im Osten Deutschlands in ehemaligen Braunkohlenrevieren entstehen. Er verwahrte sich gegen Vorwürfe, wonach bei der damaligen Planung der Grubenflutung die besondere Situation in Nachterstedt, wo ab Mitte des 19. Jahrhunderte Braunkohle unter- und übertage gefördert wurde, nicht berücksichtigt worden sei.

Am Freitag hatte die Frankfurter Rundschau berichtet, es habe im Zweiten Weltkrieg möglicherweise geheime militärische Anlagen unweit des Unglücksorts gegeben, in denen Kampfstoffe produziert und gelagert wurden. Die Zeitung beruft sich auf ihr vorliegende Geheimbericht der US-Armee aus dem Jahr 1945. Die Bergbau-Sanierungsfirma LMBV teilte dem Blatt auf Anfrage mit, sie wolle den Hinweisen nachgehen. Es gebe aber keinerlei Anzeichen, dass es in der Region rund um den Ort in Sachsen-Anhalt Altlasten dieser Art geben könnte.

Zur weiteren Ursachenermittlung soll nun die abgerutschte Böschung von See aus untersucht werden. Die LMBV will in den nächsten Tagen einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Landesamt in Sachsen-Anhalt einreichen, um möglichst im Oktober mit den Untersuchungen beginnen zu können. Dabei wird bis Mai 2011 eine hochseetaugliche schwimmende Plattform auf dem See eingesetzt. Von dort aus sollen im Seegrund Bohrungen erfolgen, von denen sich die Fachleute weiteren Aufschluss über die Unglücksursache versprechen. Sonaruntersuchungen hatten ergeben, dass sich seit dem Unglück "keine relevanten Veränderungen im Seegrund" vollzogen haben.

Sanierung bis 2015
Gutachter Rolf Katzenbach von der Technischen Universität Darmstadt verwies auf ein leichtes Erdbeben der Stärke 1,8 auf der Richterskala, dessen Epizentrum zwischen dem "Concordia"-See und dem benachbarten Gewässer in Frose gelegen habe. Die Ursache für dieses Beben, das dem Erdrutsch vorausgegangen ist, sei noch unklar. Möglicherweise sei ein Stollen zusammengebrochen.

Von Juli 2011 bis 2015 soll das betroffene Gebiet am "Concordia"-See schrittweise saniert und eine neue Böschung angelegt werden. Dazu muss das ehemalige Wohngebiet "Am Ring" abgebrochen werden. Ob die Bewohner noch einmal in ihre Häuser zurückkönnen, ließ der LMBV-Geschäftsführer noch offen.