Auch Schottland hat seine sehr verschiedenen Volksgruppen

Uneinig Vaterland

Schottland ist seit 1706 ein Teil des Vereinten Königreiches, doch das Land hat sich seine sehr eigene Identität bewahrt. Dabei ist Schottland selbst kein homogenes Land. Ein "geistiger Graben" verläuft zwischen Hochland und Tiefland.

Autor/in:
Robert Nowell
Exportschlager Highland Games (dpa)
Exportschlager Highland Games / ( dpa )

Seit König Jakob VI. von Schottland im Jahr 1603 zu Jakob I. von England wurde, haben Schotten und Engländer denselben Monarchen. Und obwohl es seit dem Unionsvertrag von 1706 ein Teil des Vereinten Königreiches ist, hat sich Schottland seine sehr eigene Identität bewahrt. Dabei ist Schottland selbst kein homogenes Land - und ist es nie gewesen.

Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten

Der geistige Graben zwischen Hochland und Tiefland besteht schon seit der Schlacht zwischen Römern und Kaledoniern am Mons Graupius im Jahr 83 vor Christus. Besonders tief war er im 18. Jahrhundert in der Zeit der konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten, nachdem König Jakob II. (1685-1688/89) die gefestigte Stellung der Stuarts durch eine stark prokatholische Politik verspielte.

Zwei sogenannte Jakobiten-Aufstände versuchten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert, die Herrschaft der Stuarts wiederherzustellen.

Misstrauen gegenüber Highlandern

Nach deren Niederschlagung setzten eine Auswanderung aus dem Hochland nach Amerika und eine zunehmend brutale "Befriedung" der Highlands ein. Menschen wurden in Säuberungswellen durch Schafe ersetzt, und doch blieb das Misstrauen gegenüber den Highlandern: Sie sprachen eher Gälisch als Englisch, waren eher katholisch als presbyterianisch - und tendenziell Jakobiten.

Natürlich gibt es solcherart Vorbehalte auch umgekehrt. So zitiert der Schriftsteller James Hunter in seiner "Geschichte der Highlands" einen Farmer aus dem Hochland, der in Zusammenhang mit dem gescheiterten Referendum zur Dezentralisierung 1979 sagte: "Kann sein, dass die in London auf uns hier oben pfeifen - aber in Edinburgh, da hassen sie uns."

Noch mehr unterscheiden sich die nördlichen Inseln, Orkney und Shetland, von der Mentalität des Festlands. Sie gehörten ursprünglich zu Norwegen und kamen erst im späten 15. Jahrhundert an Schottland.

Shetland ist Zentrum der nationalen Ölindustrie

Shetland ist ein Zentrum der nationalen Ölindustrie - und könnte in Zukunft zu einem großen Teil zum Bruttoinlandsprodukt eines unabhängigen Schottland beitragen. Da stellt sich die spannende Frage: Was, wenn die Schotten am 18. September Ja zur Unabhängigkeit sagen - und Shetland Nein?

Ein wenig beachteter Faktor in der derzeitigen Debatte ist der Londoner Zentralismus, der Schottland freilich ebenso betrifft wie auch England und Wales. Die Schotten fühlen sich von Westminister dominiert - wie es etwa in den 80er Jahren bei der Reform der kommunalen Grundsteuer offenbar wurde. Das von London vorab in Schottland durchgesetzte System war kompliziert und höchst unpopulär.

Doch erst als es im Jahr darauf bei der Einführung in England darüber zu gewaltsamen Ausschreitungen kam, wurde die Reform zurückgenommen.

Zentralismus ist freilich auch in Schottland selbst ein Problem. 2013 wurden die acht verschiedenen Polizeieinheiten Schottlands zu einer einzigen zusammengeführt - wobei übersehen wurden, dass Polizeiarbeit und -organisation in Highland-Dörfern komplett anders funktioniert als im sozialen Brennpunkt von Glasgow. Auch sind zuletzt viele Kompetenzen von den Gemeinderäten an die Zentralregierung in Holyrood gewandert; die Zahl der Räte wurde von mehr als 200 auf 32 reduziert.

Unklar ist EU-Mitgliedschaft

Eine weitere Frage, die sich im Zuge des Referendums stellt, ist die der EU-Mitgliedschaft. Ein unabhängiges Schottland müsste wohl - anders als Großbritannien - neu um eine Aufnahme als 29. EU-Staat anfragen. Ein kompliziertes bis unmögliches Verfahren, wie der scheidende Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso warnte.

Wie die Schotten am 18. September tatsächlich entscheiden, ist nicht vorherzusehen. Umfragen sehen die Befürworter einer Unabhängigkeit noch leicht in der Minderzahl. Während der öffentliche Debatte hat das Pendel der Meinungen aber schon mehrfach ausgeschlagen. Selbst ein ausgewiesener Intellektueller wie der Historiker Sir Tom Devine räumte neulich in einem Interview des englischen "Guardian" ein, er sei im Laufe der Kampagne vom Nein-Lager zum Ja umgeschwenkt. In weiser Voraussicht wohl hat der Moderator der Generalversammlung der Church of Scotland schon vor geraumer Zeit einen Versöhnungsgottesdienst angekündigt: am Sonntag nach der Abstimmung in der High Kirk of St. Giles in Edinburgh.


Quelle:
KNA