Das lange erwartete Konzil der Orthodoxie steht wenige Monate vor seinem geplanten Beginn am orthodoxen Pfingstfest am 19. Juni auf der Kippe. Sorgen bereiten politische Entwicklungen wie der Konflikt zwischen Russland und der Türkei. Vor allem aber liegen die Positionen der 14 orthodoxen Kirchen zu den anstehenden Themen so weit auseinander, dass ein Gelingen der "Großen und Heiligen Synode" in Frage gestellt ist. Eine Versammlung (Synaxis) der Oberhäupter der Kirchen am Sitz des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. am 21. Januar in Istanbul soll nun eine Klärung bringen.
Bei einer solchen Synaxis hatten die Patriarchen im März 2014 das Datum und die Modalitäten für das Konzil festgelegt und damit neuen Schwung in den seit Jahrzehnten laufenden Vorbereitungsprozess gebracht. Wobei der Begriff "Konzil" zumindest missverständlich ist, wenn man dabei das Modell des Zweiten Vatikanischen Konzils der katholischen Kirche vor Augen hat, zu dem sich zwischen 1962 und 1965 alle katholischen Bischöfe in Rom trafen. Das orthodoxe Konzil wird weder von der Größe noch von der Dauer und auch nicht von der Art der Beratungen diese Dimension haben. Ein orthodoxes "Aggiornamento" - so der von Papst Johannes XXIII. geprägte Begriff für die Aufgabe des Zweiten Vatikanums; zu Deutsch etwa "Verheutigung", Aktualisierung, Anpassung an die heutigen Verhältnisse - ist nach verbreiteter Einschätzung unwahrscheinlich.
Innere Kräfteverhältnisse verschoben
Dennoch wäre ein erfolgreiches Konzil, das nach den Worten des deutschen Metropoliten Augoustinos vor allem einen "Dienst an der Einheit der Orthodoxie" leisten soll, von großer Bedeutung für die orthodoxe Kirche, auch in ökumenischer Hinsicht. Die einst im oströmischen Reich beheimatete griechisch-orthodoxe Kirchenfamilie hat sich vor allem seit dem 19. und noch mehr im 20. Jahrhundert in hohem Maß ausdifferenziert; zugleich haben sich die inneren Kräfteverhältnisse verschoben. Während der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel als Ehrenoberhaupt praktisch ein "König ohne Land" ist, will die russisch-orthodoxe Kirche - gemessen an der Zahl ihrer Mitglieder, Priester und Bischöfe die bei weitem größte - mehr Einfluss.
Die Kalenderfrage eine erhebliche Sprengkraft
Seit 1976 haben mehrere "Präkonziliare Konferenzen" Vorlagen vorbereitet, die allerdings längst wieder veraltet sind. Ihre Überarbeitung kam in den vergangenen beiden Jahren nicht weit voran. Nur drei der acht vorgesehenen Entwürfe seien fertiggestellt, gab jetzt der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion Alfejew zu Protokoll, die Arbeit an den anderen Entwürfen sei nie ans Ende gekommen. Themen sind etwa Anpassungen bei den Fastenvorschriften und beim Eherecht, die Regelung der Autonomie oder der Autokephalie (Eigenständigkeit) einer orthodoxen (Landes-)Kirche und die Art und Weise ihrer Erteilung, die Vereinheitlichung der liturgischen Kalender, die Organisation der weltweiten orthodoxen Diaspora sowie die Beziehungen der Orthodoxie zur Ökumene. Dabei hat selbst ein scheinbar banales Thema wie die Kalenderfrage eine erhebliche Sprengkraft.
Die jüngste Sitzung der Interorthodoxen Spezialkommission in Athen endete im Dezember ohne Ergebnis; man konnte sich nicht auf eine Geschäftsordnung einigen. Andere Konfliktpunkte, die noch ausgeräumt werden müssten, sind der Status des Oberhaupts der orthodoxen Kirche Tschechiens und der Slowakei, der Streit der Patriarchen von Antiochia und Jerusalem um die Zuständigkeit für das Golfemirat Katar sowie die kirchliche Lage in der Ukraine mit drei unterschiedlich ausgerichteten Kirchen.
Diskussion über Ausweichorte
Hinzu kommt die Unsicherheit darüber, ob die türkische Regierung eine Zusammenkunft in der altehrwürdigen Irenenkirche, die im Besitz des Staates ist, erlaubt. Über mögliche Ausweichorte wird seit Wochen spekuliert. Offen ist auch, ob die Reise russischer Kirchenvertreter nach Istanbul im Juni politisch opportun oder überhaupt erlaubt sein wird. Sollten die Patriarchen bei ihrer bevorstehenden Synaxis den "gordischen Knoten" nicht lösen, können sie insofern die vor zwei Jahren bei ihrem Konzilbeschluss genannten "unerwarteten Umstände" geltend machen, die sein Zustandekommen vorerst verhindern.