Vatikanjournalist blickt auf die Papstrede an Diplomaten

"Auf jeden Fall ein Novum"

Die Rede des Papstes an das diplomatischen Korps ist jedes Jahr einer der ersten Termine für Franziskus, der große Schlagzeilen macht. Dieses Jahr hat er unter anderem über "Cancel Culture" gesprochen. Ein neues Thema für Franziskus.

Papst Franziskus mit Diplomaten beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus mit Diplomaten beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Zum Beginn jedes Kalenderjahres wendet sich Papst Franziskus an das diplomatische Korps im Vatikan. Warum ist das so bedeutend, warum bekommt diese Rede so viel Aufmerksamkeit?

Mario Galgano (Vatican News): Alle Jahre wieder kommen die Botschafter beim Heiligen Stuhl zum Papst und hören eine Rede. Das heißt, es ist ein Treffen des Papstes mit dem sogenannten diplomatischen Korps. Das sind also alle Diplomaten, Botschafter der Länder, die hier in Rom residierenden, zum Teil auch nicht residieren, aber, die eine diplomatische Beziehung zum Vatikan pflegen.

DOMRADIO.DE: Wie läuft das ab?

Galgano: Das läuft eigentlich wie eine normale Audienz ab, kann man sagen. Das heißt es gibt einen Repräsentanten, der grüßt im Namen aller Botschafter den Papst und erzählt dann, wie das so ist, Diplomat in Rom zu sein.

Dann gibt es eine Papstrede und die beinhaltet in jedem Jahr eine Art Überblick über das, was der Papst über die Weltpolitik denkt und was ihm am Herzen liegt. Diesmal hat der Papst wieder auf die Schwerpunkte Frieden und Gerechtigkeit hingewiesen. In dieser Pandemie ganz wichtig und immer ein Anliegen des Papstes ist dabei die Gerechtigkeit in Sachen Impfung auf globaler Ebene. Das heißt, dass genügend Impfstoffe da sein sollten, gerade für Länder, die keinen einfachen Zugang dazu haben.

Aus meiner Sicht ist es vielleicht ein bisschen besonders, dass der Papst auch über soziale Medien gesprochen hat, über Fakten und auch auf die sogenannte "Cancel Culture" hingewiesen hat. Wie schwierig das aus Sicht des Papstes ist, wenn man mit Fakten der Vergangenheit nicht richtig umgeht. Dass er das angeprangert hat, finde ich schon bemerkenswert. Das ist auf jeden Fall ein Novum.

DOMRADIO.DE: Oft weicht der Papst auch von seinem Manuskript ab. So wie bei der Generalaudienz in der vergangenen Woche und sagt etwas, was ihm besonders am Herzen liegt. Gab es so eine Situation auch bei den Diplomaten?

Galgano: Man muss sagen, dass der Papst hier sehr diplomatisch ist, wenn es um Reden geht, die auch eine politische Dimension haben. Darum ist er nicht so abgewichen, wie er das vielleicht in eher pastoralen, theologischen Texten so oft macht. Es ist üblich, dass sich der Papst bei Reden an Diplomaten und Politiker schon sehr stark an das Manuskript hält und dann nicht abweicht. Damit möchte er auch gewisse Punkte betonen. Wenn etwas schon vorher geschrieben ist, weiß er, was er konkret sagen möchte, betonen will.

Das ist diesmal auch sehr klar rausgekommen. Ich denke ganz konkret an Friedensideen, Friedensprojekte auf der Welt. Die Krisenherde, die er genannt hat, ob das jetzt im Heiligen Land, Palästina, Israel oder in Osteuropa, Ukraine, Russland, Kaukasus, Kasachstan ist. Diese Konflikte will er konkret benennen und hervorheben.

DOMRADIO.DE: Welchen Eindruck macht Franziskus? Vergangenen Monat hat er ja seinen 85. Geburtstag gefeiert?

Galgano: Wenn man die Stimme hört, hat man schon den Eindruck, da spricht jetzt ein 85-jähriger Mann, der schon sozusagen eine gewisse Last des Alters hinter sich hat. Aber wenn man die Bilder sieht und den Menschen vor Augen hat, dann muss man sagen, ist eigentlich Franziskus schon sehr fit, obwohl er eben 85 Jahre alt ist und eine große OP hinter sich hat und natürlich jetzt auch von den ganzen Gesundheitsvorkehrungen betroffen ist.

Das Interview führte Johannes Schröer.


Quelle:
DR