Aufruf zu Kirchenaustritt auf AfD-Parteitag sorgt für Kritik

"Ungeheuerlich und armselig"

SPD und CDU haben die Kritik an den Kirchen zurückgewiesen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach von einem Angriff in "ungeheuerlicher Art und Weise". CDU-Generalsekretär Peter Tauber schlug in eine ähnliche Kerbe.

Stimmkarten beim AfD-Bundesparteitag / © Michael Kappeler (dpa)
Stimmkarten beim AfD-Bundesparteitag / © Michael Kappeler ( dpa )

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz äußerte sich in einem am Dienstag bekannt gewordenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Aufrufe zum Kirchenaustritt seien "unerhört", heißt es in dem Schreiben, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber nannte entsprechende Äußerungen führender AfD-Politiker auf Anfrage "armselig und mimosenhaft".

AfD geht Kirchen scharf an

AfD-Bundesvorstandsmitglied Armin Paul Hampel hatte am Samstag unter Beifall der Delegierten zum Kirchenaustritt aufgerufen. "In dem Verein sollte keiner von uns mehr Mitglied sein", sagte er vor den Teilnehmern des AfD-Bundesparteitags in Köln. Parteichefin Frauke Petry übte harsche Kritik an der Beteiligung der Kirchen an den Anti-AfD-Kundgebungen. Sie sprach von "hässlichen, abwertenden und polarisierenden Bemerkungen".

Die AfD habe auf ihrem Parteitag "wieder einmal gezeigt", dass es ihr um "Spaltung, Provokation und rechten Populismus" gehe, schrieb Schulz. Zugleich dankte der SPD-Politiker den Kirchen für ihren Einsatz für Weltoffenheit, Solidarität und Toleranz. Nicht erst am vergangenen Wochenende hätten sie sich "in aller Deutlichkeit gegen Ausgrenzung und Hass in jeder Form positioniert". Schulz weiter: "Für uns ist das Wirken der Kirchen, der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften durch nichts zu ersetzen."

Tauber: AfD für Christen unwählbar

Die CDU schloss sich der Kritik an den AfD-Äußerungen an. Es sei bemerkenswert, dass ausgerechnet die Partei, die gerne offene Diskussionen und Streitkultur von allen Akteuren einfordere, wie "ein kleines Kind" auf Kritik durch andere reagiere, erklärte CDU-Generalsekretär Tauber. Er schloss mit der Aussage: "Die Kirchen haben recht: Für anständige Christen ist die AfD unwählbar."

Unterdessen erneuerte AfD-Politiker Hampel seinen Ruf nach einem Umbau des Systems der Kirchenfinanzierung. Er forderte, den Kirchensteuereinzug durch den Staat zu beenden. Auf ihrem Parteitag hatten sich die AfD-Delegierten dagegen ausgesprochen, die Abschaffung der Kirchensteuer in ihr Wahlprogramm aufzunehmen. Ein anderer Antrag, der fordert, "die Bezahlung von Kirchenrepräsentanten wie Bischöfen etc." aus allgemeinen Steuermitteln abzuschaffen, fand jedoch eine Mehrheit.

Die Gehälter von Bischöfen und Geistlichen werden aus unterschiedlichen Töpfen finanziert. Dazu zählt die von den Mitgliedern erhobene und vom Staat für die Kirchen eingezogene Kirchensteuer. Hinzu kommen die sogenannten Dotationen oder "Staatsleistungen", die ihre Wurzeln meist im frühen 19. Jahrhundert haben und heute von den Bundesländern geleistet werden sowie freiwillige Leistungen des Staates, aus denen etwa die Militärseelsorge finanziert wird.

Text der Schreiben von Martin Schulz im Wortlaut

Die Schreiben gingen zu Wochenbeginn an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und den Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die Schreiben in der schriftlich vorliegenden Form:

"Sehr geehrter Herr Kardinal Marx, (bzw. "Sehr geehrter Herr Landesbischof Dr. Bedford-Strohm,)

die Kirchen in Deutschland gestalten die Gesellschaft, in der wir leben, aktiv mit. Ich bin froh und dankbar, dass Sie sich in unserem Land für Weltoffenheit, Solidarität und Toleranz stark machen - in den Kirchengemeinden, den Verbänden, den sozialen Einrichtungen und vielen anderen Orten.

In den vergangenen Tagen in Köln, aber auch drüber hinaus, haben sich die Kirchen und Religionsgemeinschaften klar zur demokratischen Verfasstheit Deutschlands bekannt und sich in aller Deutlichkeit gegen Ausgrenzung und Hass in jeder Form positioniert. Herzlichen Dank dafür.

Angesichts der unfassbaren und abscheulichen Vorwürfe, die auf dem Parteitag der sogenannten Alternative für Deutschland an diesem Wochenende zum Ausdruck gebracht wurden, ist es mir ein großes Bedürfnis Ihnen meine tief empfundene Solidarität auszudrücken. In ungeheuerlicher Art und Weise sind die Kirchen massiv angegriffen worden. Aufrufe zum Kirchenaustritt sind unerhört.

Auf ihrem Parteitag hat die AfD wieder einmal gezeigt, worum es ihr wirklich geht: um Spaltung, Provokation und rechten Populismus.

Genauso lehnen wir, wie auch Sie, den Versuch ab, das Zusammenleben innerhalb von einzelnen Religionsgemeinschaften gesetzlich regeln zu wollen - egal ob es sich hierbei um den Islam oder eine andere Religionsgemeinschaft in Deutschland handelt.

Für uns ist das Wirken der Kirchen, der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften durch nichts zu ersetzen, insbesondere wo sie zur Verantwortung für die Mitmenschen und das Gemeinwohl ermutigen und Tugenden und Werte vermitteln, von denen die Demokratie lebt. Wir achten ihr Recht, ihre inneren Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze autonom zu regeln.

Es ist nicht selbstverständlich, dass sich viele Menschen für Gerechtigkeit und Zusammenhalt engagieren. Deshalb muss es unser gemeinsames anliegen als Zivilgesellschaft - Kirchen, Verbände, Gewerkschaften, Politik - sein, die Demokratie in Deutschland und Europa lebendig und wehrhaft zu halten. Der Beitrag und das Engagement der Kirchen und Religionsgemeinschaften sind davon von großer Bedeutung. Dafür bin ich Ihnen persönlich und als SPD-Vorsitzender sehr dankbar.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir, abseits des Wahlkampfs, den Austausch für eine weltoffene Gesellschaft und wehrhafte Demokratie in unserem Land fortsetzen könnten.


Martin Schulz / © Bernd Thissen (dpa)
Martin Schulz / © Bernd Thissen ( dpa )

Peter Tauber / © Sven Hoppe (dpa)
Peter Tauber / © Sven Hoppe ( dpa )
Quelle:
KNA