Der Appell von Jorge Rodriguez ist ein Ruf nach Anerkennung: "Wir erwarten, dass die Welt lernt, die Würde dieses Volkes zu respektieren. Die Welt muss die Resultate dieses Tages anerkennen", forderte der frühere venezolanische Vizepräsident, eines der prominentesten Gesichter der Sozialisten. Doch der Rest der Welt schaut irritiert nach Caracas.
Fast im Stundentakt kommen Meldungen aus lateinamerikanischen Staaten und der internationalen Gemeinschaft, deren Regierungen das Resultat der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung nicht anerkennen wollen. Kolumbien, Peru, USA, Panama, Brasilien.
USA kündigt Sanktionen an
Aus Washington werden neue Sanktionen angekündigt. Und Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami gibt schon einmal die Marschrichtung für die kommenden Wochen vor. Man müsse all jene Kräfte der Opposition isolieren, die sich einem Dialog verweigern. Die Zeichen stehen eher auf Eskalation als auf Entspannung.
Nach der hochumstrittenen Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung steuert Venezuela auf die nächste Krise zu. Raum für einen Dialog gibt es kaum noch. Das dafür eigentlich vorgesehene Parlament, dem das venezolanische Volk bei den Wahlen 2015 mit einem Sieg der Opposition einen klaren Auftrag erteilte, wird von der Regierung nicht akzeptiert.
Wahlbehörde: Wahlbeteiligung von 41,5 Prozent
Deswegen erscheint es nur schwer vorstellbar, dass die Opposition ihrerseits das Nebenparlament der Verfassungsgebenden Versammlung akzeptiert, an dessen Wahl den Angaben zufolge nur ein gutes Drittel der Wahlberechtigten teilgenommen hat. Zum Vergleich: Bei der letzten freien Parlamentswahl 2015 gaben 14.385.322 Millionen Menschen ihre Stimme ab - mit dem Ergebnis eines klaren Wahlsiegs der Opposition.
Nun ist es selbst nach offiziellen Angaben gerade mal die Hälfte, wahrscheinlich sogar deutlich weniger. Aber es sind Fakten geschaffen worden: Die 545 Teilnehmer der Verfassungsgebenden Versammlung (ANC) sind gewählt. Nach Angaben der staatlichen Wahlbehörde CNE nahmen rund 8,1 Millionen Menschen an der umstrittenen Wahl zur "Constituyente" teil, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 41,5 Prozent.
Opposition widerspricht
Unter den Gewählten sind nahezu alle prominenten Köpfe der Sozialisten: Ex-Außenministerin Delcy Rodriguez, First Lady Cilia Flores und Ex-Parlamentspräsident Diosdado Cabello vertreten nun das Volk. Zählungen der Opposition widersprechen der offiziellen Darstellung. Demnach folgten nur 2,4 Millionen Wahlberechtigte dem Aufruf zur Stimmabgabe.
"Wir haben eine verfassungsgebende Versammlung", sagte Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas Maduro am Sonntagabend. Diese solle nun den Raum schaffen für einen Dialog. Der Wahltag wurde von Gewalt überschattet. Die regierungskritische Tageszeitung "El Nacional" berichtete von insgesamt 13 Toten.
Reaktion der katholischen Kirche
Die katholische Kirche kommentierte den Wahlausgang zunächst nicht. Venezuelas Kardinal Jorge Urosa, Erzbischof von Caracas, sprach der Abstimmung noch am Morgen des Urnengangs die Legitimität ab. Nicht das Volk, sondern der Präsident habe diese angeordnet. Deswegen sei die Wahl illegal und wertlos. Die Bischöfe schickten via Twitter ein Stoßgebet gen Himmel: Maria möge Venezuela aus den Klauen des Kommunismus befreien. Präsident Maduro forderte unterdessen die Opposition auf, sich auf die Regionalwahlen vorzubereiten, die längst überfällig, aber seit Monaten ausgesetzt sind.
Seit Monaten gibt es in Venezuela Massenproteste gegen die sozialistische Regierung, die Anfang April vergeblich versuchte, das Parlament, in dem die Opposition seit 2015 die Mehrheit hat, auf juristischem Wege zu entmachten. Maduro regiert seit Jahren mit Hilfe von Sonderdekreten und Ausnahmezustand am Parlament vorbei. Im Mai ordnete er die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung an. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation "Foro Penal" wurden bei Protesten gegen die Regierung bislang mehr als 100 Menschen getötet.
Tobias Käufer