Sie verlieben sich in den falschen Mann, der ihnen verheißungsvolle, aber in Wahrheit verhängnisvolle Versprechungen macht. Frauen in Osteuropa werden mitunter mit angeblich guten Arbeitsmöglichkeiten in den Westen gelockt – und am Ende in die Prostitution gezwungen. "Menschenhandel ist ein Milliardengeschäft", betonte der Geschäftsführer des katholischen Osteuropahilfswerks Renovabis, Burkhard Haneke, am Mittwoch.
Die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) beschäftigte sich zum Abschluss ihrer Tagung in Münster mit Menschenhandel und Zwangsprostitution – am Tag der Eröffnung des 101. Katholikentages, der unter dem Motto "Suche Frieden" steht.
Von Frieden ist besagtes Geschäft jedoch weit entfernt. Betroffene Frauen werden vergewaltigt, durch Bordelle in Deutschland und im Ausland geschleust: "Die Grenzen sind offen", sagte Renate Hofmann. Sie ist Fachberaterin bei der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Solwodi, die sich auch um Prostituierte kümmert. Die meisten Frauen, die in deutschen Bordellen arbeiten, kämen aus den neuen EU-Ländern. "Deutschland ist aber nicht nur Transitland", betonte Hofmann zugleich.
Vor allem Mädchen und Frauen von Menschenhandel betroffen
Denn unter Zwangsprostituierten seien auch deutsche Frauen. Sie kämen häufig aus prekären Lebenssituationen. Mit Blick auf alle Zwangsprostituierten stellte die Expertin fest: "Das sind keine selbstbewussten Frauen, die selbstbestimmt ihrer Arbeit nachgehen." Die Täter seien in der Regel gut vernetzt. Es gebe zwar Prozesse vor Gericht – aber immer weniger. Ähnliches sei auch bei Verurteilungen zu beobachten, denn nur wenige Frauen könnten detaillierte Angaben machen, weil sie die Strukturen des Geschäfts meist nicht kennten.
Haneke zufolge sind von Menschenhandel Betroffene mit etwa 70 Prozent vor allem Mädchen und Frauen. Sie würden etwa sexuell ausgebeutet – Menschenhandel bedeute aber nicht ausschließlich Zwangsprostitution, sondern auch Zwangsheirat, Organhandel, Ausbeutung in der Arbeit und illegale Adoptionen von Kindern.
Wegen des Wohlstandsgefälles zwischen West- und Osteuropa suchten Menschen Arbeitsmöglichkeiten in wohlhabenderen Staaten. "Wie freiwillig das ist, sei dahingestellt", betonte Haneke. Den Migranten etwa aus Rumänien und Bulgarien werde ein vermeintlich besseres Leben versprochen. Frauen würden am Ende "schamlos ausgenutzt". Wer diese Entwicklung als Angebot und Nachfrage sehe, dem seien Hintergründe "ziemlich egal".
Erzbischof Heße: Stimme gegen Menschenhandel erheben
Hamburgs Erzbischof Stefan Heße forderte alle Christen auf, ihre Stimme gegen Menschenhandel zu erheben und nicht die Augen davor zu verschließen: "Es ist ein Geschäft, das mit Menschen betrieben wird, das wir uns kaum ausmalen können." Menschenhandel sei etwas, das "sehr unter der Decke liegt, aber ein Riesenausmaß hat".
Das Problem sei global. Es in Osteuropa zu thematisieren, sei nicht leicht, was auch mit der Orthodoxie und dem Thema Gender zu tun habe, sagte Heße. Es sei reichlich Aufklärung nötig. "Keiner möchte über das Thema sprechen", unterstrich auch Schwester Adina Balan von Solwodi in Bukarest. Heße erinnerte zudem an die Santa-Marta-Group gegen Menschenhandel, die 2014 von Papst Franziskus ins Leben gerufen worden war.
ZdK-Präsident Thomas Sternberg unterstrich eine Forderung des Katholikenkomitees von 2016 nach der Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Der rechtliche Rahmen müsse so ausgestaltet werden, "dass Menschenhandel und Zwangsprostitution konsequent unterbunden und die Verantwortlichen wirksam belangt werden", hieß es. "Nach unserem christlichen Menschenbild greifen Nachfrage und Angebot sexueller Dienstleistungen die Menschenwürde an und führen nicht zu einem erfüllten Lebensentwurf."
Solche Bedenken dürften bei Nutznießern von Zwangsprostitution kaum verfangen. Renovabis-Geschäftsführer Haneke nannte Zahlen, wonach die globalen Profite von Menschenhandel insgesamt bei über 47 Milliarden Euro im Jahr, die Zahl der Opfer bei etwa 40 Millionen liegen.