Bewegender Moment und eindringlicher Appell: Don Luigi Ciotti (71), italienischer Priester und Gründer der Anti-Mafia-Vereinigung "Libera", hat am Donnerstagabend den mit 10.000 Euro dotierten Mietek-Pemper-Preis der Universität Augsburg für Versöhnung und Völkerverständigung erhalten. Bei dem Festakt im Augsburger Rathaus rief er zum entschlossenen Handeln gegen das organisierte Verbrechen auf. Die Schriftstellerin Petra Reski plädierte für eine Verschärfung der Gesetze gegen das organisierte Verbrechen auch in Deutschland.
"Libera" ist hierzulande wenig bekannt. Das größte Anti-Mafia-Netzwerk Italiens umfasst heute 1.600 Vereine und Bürgerinitiativen. Die Vereinigung betreibt Hunderte frühere Mafiagüter, die vom Staat beschlagnahmt wurden und nun als landwirtschaftliche Betriebe ökologisch bewirtschaftet werden - von ehemaligen Kriminellen, Drogenabhängigen, Arbeitslosen und auch Mafia-Aussteigern. Jedem eine zweite Chance. Die Produkte werden unter dem Label "Sapori della legalita" (Geschmack der Legalität) verkauft. Auch in Deutschland sind sie in zahlreichen Läden erhältlich.
Kultur der Verantwortung
In seiner leidenschaftlich vorgetragenen Dankesrede rief Ciotti zu einem neuen Bürgersinn und einer Kultur der Verantwortung auf. Er erinnerte an den 1992 von der Mafia ermordeten Anwalt Giovanni Falcone, der geäußert habe: Es reiche nicht, Gesetze festzuschreiben, wenn sie nicht zuvor im Gewissen jedes Einzelnen festgeschrieben würden. "Wir müssen unsere Hoffnungen frei machen von den Bindungen der Angst und der Verzweiflung", so der Priester. Das Problem seien nicht nur jene, die Böses täten, "sondern auch jene, die es sehen und nichts dagegen tun".
Ciotti lebt in Turin und gilt als einer der am meisten gefährdeten katholischen Priester Italiens. Er steht seit einigen Jahren unter ständigem Polizeischutz. Auch vor dem Augsburger Rathaus waren die Beamten präsent, es gab Personenkontrollen. Mehrfach verübte die Mafia Anschläge auf die Projekte von "Libera". Der Priester hatte
1965 zunächst mit Freunden die "Gruppo Abele" zur Unterstützung ehemals krimineller Jugendlicher sowie Drogenabhängiger gegründet. Er arbeitete im Auftrag des Turiner Erzbischofs zudem als Straßenpriester in sozialen Brennpunkten, ehe er sich dem Kampf gegen die Mafia verschrieb und 1995 "Libera" gründete.
Güter der Mafia beschlagnahmen
Die Schriftstellerin Petra Reski, die seit vielen Jahren in Venedig lebt, forderte, auch in Deutschland müssten Güter und Gelder der Mafia beschlagnahmt werden. Dazu sei eine Umkehr der Beweislast erforderlich. Ein entsprechendes Gesetz war in Italien bereits 1996 auf Initiative von "Libera" beschlossen worden. Die Bundesrepublik sei ein "Eldorado für die Mafiosi", sagte die Autorin. Während der organisierten Kriminalität in Italien der Boden entzogen werde, "macht sie sich Europa und die Welt untertan". Auch Ciotti sagte, die Mafia und mafiöse Organisationen seien in allen europäischen Ländern vertreten.
In der Preisbegründung der Augsburger Jury heißt es, dem Geistlichen sei es gelungen, "aus Widerstand gegen Gewalt, Repression und Korruption ein Werkzeug für Versöhnung zu machen". Augsburgs stellvertretende Bürgermeisterin Eva Weber (CSU) sagte mit Blick auf die "Libera"-Kooperativen, Ciottis Bewegung gehe es im Wortsinn darum, "dem Verbrechen den Boden zu entziehen". Die Präsidentin der Universität Augsburg, Sabine Doering-Manteuffel, fügte hinzu, der Geistliche gehöre zu jenen Helden, die auch versuchten, "die Gegenseite zu verstehen".
Der seit 2007 alle zwei Jahre vergebene Preis erinnert an den Holocaust-Überlebenden und Augsburger Ehrenbürger Mieczyslaw "Mietek" Pemper (1920-2011). Als Vertrauter von Oskar Schindler half Pemper in Krakau im Zweiten Weltkrieg mit, mehr als 1.100 Juden vor der Ermordung zu bewahren. Der deutsch-polnische KZ-Überlebende wohnte von 1958 bis zu seinem Tod in der Fuggerstadt. Ciotti ist der fünfte Träger der Auszeichnung, die von dem Augsburger Unternehmer Georg Haindl gestiftet wurde. Er widmete den Preis den vielen bei "Libera" engagierten Menschen.