Gibt es Engel mit Down-Syndrom? Und was ist mit der kleinen, jahrtausendealten mexikanischen Statue, die schmale Augen und ein etwas breiteres Gesicht als üblich hat? Ganz geklärt sind diese Geheimnisse offenbar nicht. Mit ihnen befasst sich aber eine neue Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle, die von Samstag an zugänglich ist: "Touchdown" - die Geschichte des Down-Syndroms.
Die Geschichte der auch Trisomie 21 genannten Behinderung wird nach Veranstalterangaben hier erstmals erzählt - unter Beteiligung von Menschen mit Down-Syndrom und in klarer, verständlicher Sprache. An den Wänden befinden sich riesige Comics. Die kulturhistorische Schau zeigt Stücke aus Archäologie, bildender Kunst, Zeitgeschichte, Medizin, Genetik und Film. Und viele Exponate haben es in sich.
Düsteres Kapitel Nazi-Zeit
Da sind nicht nur die mexikanische Statue von 1.400 bis 1.200 vor Christus und die Engelsdarstellungen auf dem niederländischen Gemälde "Nächtliche Anbetung des Christkindes" aus dem 16. Jahrhundert. In mehreren Räumen finden sich Malereien, Textilarbeiten und andere Kunst von Menschen mit Down-Syndrom; Interviews und kluge Texte über Liebe, Recht, Gerechtigkeit, Frohsinn und die Schönheit des Lebens.
Aber auch düstere Kapitel werden nicht ausgespart: zum Beispiel aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, als Behinderte ohne Vorbehalte als "Schwachsinnige" bezeichnet wurden. Aus den 1940er Jahren, als das Leben auch von Menschen mit Down-Syndrom in den Augen der Nazis nichts wert war, sie daher getötet, ihre Gehirne in Gläser gelegt und begutachtet werden durften. Ein paar solcher leerer Gläser stehen in der Ausstellung. Die Gehirne wurden mittlerweile bestattet.
Wissenschaft spielt in der Ausstellung eine große Rolle
Breiten Raum nimmt in dieser Schau die Wissenschaft ein, vor allem die Genetik. Bei Menschen mit Down-Syndrom ist das Chromosom 21 nicht wie üblich doppelt, sondern dreifach in jeder Zelle des Körpers vorhanden. Vorgestellt wird der englische Arzt John Langdon Down, der das Syndrom im 19. Jahrhundert erstmals wissenschaftlich beschrieb. Und die Ärztin Marthe Gautier, die 1958 Trisomie 21 entdeckt hat.
"Mongoloid" - so wurden Menschen mit Trisomie 21 vor noch nicht allzu langer Zeit genannt. Aber: "Besser ist: Mein Name einfach", so ein Mensch mit Downsyndrom. Nachzulesen ist außerdem, dass die Mongolei in einem Brief an die Weltgesundheitsorganisation 1965 gebeten habe, dass dieser Begriff nicht mehr benutzt werde.
Die kulturhistorisch angelegte Ausstellung zeigt etwa einen riesigen "Chromosomenteppich" aus Stoff von Jeanne-Marie Mohn und Elizabeth Coleman-Link. Und auch "Liebesbrief und Brautgeschenk" von Pascal Tassini. Denn ja, auch Menschen mit Trisomie 21 lieben. Julia Bertmann, die selber das Down-Syndrom hat und im Beirat der Ausstellung ist, schreibt dort: "Es muss ein netter, attraktiver, behinderter junger Mann sein, der nicht langweilig ist." Für Achim Reinhardt ist allerdings klar: "Die Ehe schließe ich aus. Das könnte ich nicht. Die Feier ist so lang."
Begleitbuch in klarer Sprache
An der Schau, die bis zum 12. März 2017 läuft, haben Autoren des Magazins "Ohrenkuss" aus Bonn und Vertreter des Forschungsprojektes "Touchdown 21" mitgewirkt. Der Intendant der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs, sagt: "Diese Ausstellung ist keine Inklusionsausstellung." Sie sei mehr: eine kulturhistorische Schau, von der die Macher Signale der Toleranz, gegen Vorurteile und für Vielfalt senden wollten.
Die rund 100 Exponate stammen aus Archiven, Gedenkstätten, Museen und universitären Forschungsprojekten aus Deutschland, Österreich und Großbritannien. Die Texte zu den Ausstellungsstücken sind ebenso wie das Begleitbuch in klarer, verständlicher Sprache geschrieben - davon könnte sich manch andere Ausstellung mit unnötig komplizierten Ausführungen eine Scheibe abschneiden.
Vor Journalisten sagten die Verantwortlichen am Freitag, dass Menschen mit Down-Syndrom "coole" Leute seien. Das wäre sicher auch eine treffende Beschreibung der Ausstellung.