Ausstellung in Erfurt widmet sich einem besonderen Aspekt der DDR-Kunst

Christliche Bilder in neuer Perspektive

Die DDR-Oberen predigten den Künstlern den Sozialistischen Realismus. Doch gleichzeitig entstanden in ostdeutschen Ateliers zahlreiche Kunstwerke zu biblischen und religiösen Themen. Eine Ausstellung in Erfurt präsentiert eine überraschende Vielfalt.

Autor/in:
Thomas Bickelhaupt
Geschmackssache: DDR-Kunst (epd)
Geschmackssache: DDR-Kunst / ( epd )

Ihren Titel hat die Schau im Erfurter Angermuseum, die an diesem Samstag eröffnet wird und bis 20. Januar zu sehen ist, von einem Auftragswerk des Hallenser Künstlers Uwe Pfeifer. Sein "Tischgespräch mit Luther" zeigt den Reformator in einer durchaus heutigen Gesprächssituation. Luther wird gerade von einem jungen Mann angesprochen, der in seinem Kampfanzug unschwer als lateinamerikanischer Guerillero auszumachen ist. Die beiden Seitentafeln machen mit einem weiblichen und einem männlichen Akt die Szene in Anlehnung an Alte Meister zum Triptychon.



Die Arbeit des Tübke-Schülers für das Luther-Gedenkjahr 1983 habe bei der ersten öffentlichen Präsentation in Halle heftige Diskussionen ausgelöst, sagt der Direktor des Angermuseums, Kai-Uwe Schierz. Die Auftraggeber von der Martin-Luther-Universität hätten danach lange Zeit nur wenig Interesse gezeigt, das bestellte und bereits bezahlte Gemälde beim Künstler abzuholen. Erst 1987 kam es in die Aula der Hochschule - und dies auf Weisung der SED. Heute hat das Kunstwerk seinen Platz in einem Konferenzraum der Stiftung Leucorea in Wittenberg.



Unter dem Titel von Pfeifers Gemälde vereint die Erfurter Ausstellung für "christliche Bilder in einer atheistischen Welt" etwa hundert Beispiele. Sie reichen von der ersten Zeit nach 1945 bis zum Ende der DDR, aber in Einzelfällen auch darüber hinaus. Die große Zahl künstlerischer Arbeiten von ostdeutschen Künstlern zu biblischen und religiösen Themen sei zwar auffallend, aber keineswegs einzigartig, erläutert der Kurator. Denn Umdeutungen solcher Inhalte ließen sich zurückverfolgen bis an die Wende vom 19. zum 20.

Jahrhundert.



Gleichwohl sei die Beschäftigung mit diesen Themen für die DDR-Künstler von besonderer Bedeutung gewesen: Der Rückzug auf Texte der Bibel oder der klassischen Antike habe vielen die Möglichkeiten eröffnet, sich in Bildern und Metaphern jenseits des Sozialistischen Realismus zum Zustand der ostdeutschen Gesellschaft zu äußern. Zudem sahen sie sich damit als "Traditionalisten im besten Sinne" in einer Linie mit Künstlern wie etwa Max Klinger, Lovis Corinth, Max Beckmann oder Otto Dix, fügt der Kunsthistoriker hinzu.



Freier Umgang mit biblischen Stoffen

Der freie Umgang mit biblischen Stoffen ziehe sich nahezu ungebrochen durch die gesamte ostdeutsche Kunstgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, erläutert Schierz. Die ältere Künstlergeneration habe auch auf diesem Gebiet eine Anknüpfung an die von den Nationalsozialisten verfemte Moderne versucht. Seit den 60er Jahren seien ihnen dann die jüngeren Kollegen gefolgt. Parallel dazu habe mit dem kurzzeitigen Tauwetter in der Kulturpolitik die Staatsdoktrin der sozialistisch-realistischen Kunst schrittweise ihre allumfassende Deutungsmacht verloren.



Somit entstand über vier Jahrzehnte eine überraschende Vielfalt christlicher Bilder, die nunmehr durch das dreijährige Forschungsprojekt zum Bildatlas der DDR-Kunst aus einer neuen Perspektive in den Blick kommen. Zu den beiden anderen Präsentationen in Weimar und in Gera bietet das Angermuseum einen gleichermaßen wichtigen wie unverwechselbaren Beitrag. Die prominenten Namen - von Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer über Bernhard Heisig, Harald Metzkes oder Horst Sakulowski bis zu Nuria Quevedo - sind ähnlich.



Kaum vergleichbar indes sind die unterschiedlichen Botschaften, die von der in Erfurt versammelten Bilderwelt ausgehen. In den wenigsten Fällen kommt in den Kunstwerken ein individuelles religiöses Bekenntnis zum Ausdruck. Doch das, sagt Kurator Schierz, "ist im Zweifel den Bildern ohnehin nicht anzusehen".



Info

Die Ausstellung ist  dienstags bis freitags 13 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet; ab Januar dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr.